Versuche der Einbindung von Beschäftigten in das betriebliche Leben sind so alt wie der moderne Kapitalismus. Sie sind die Antwort auf die Notwendigkeit, Arbeitskräfte zumindest partiell zur Sicherung der Produktivität einbinden zu müssen, ohne ihnen gleichzeitig ein Mitspracherecht auf Augenhöhe einräumen zu wollen.
Die Spanne partizipativer Ansätze in der Ökonomie ist groß. Sie reicht von einem funktionalen Verständnis der Beteiligung, welches sich lediglich auf das Erfüllen von Arbeitsanforderungen bezieht, über eine Beteiligung am sozialen betrieblichen Leben zur Verbesserung der Zusammenarbeit bis zur formalisierten oder informellen Einbindung in betriebliche Entscheidungsprozesse sowie (meist marginale) Gewinnbeteiligungen. Eine scharfe Trennlinie muss mindestens zwischen den Ideen der Selbstverwaltung, wie ihn rätekommunistische und anarchosyndikalistische Kräfte propagieren und jenen von Verwertungsinteressen getriebenen Ansätzen partizipativen Managements gezogen werden. Während die Idee der Selbstverwaltung mit dem Herrschaftsanspruch Einzelner bricht, steht dieser im Rahmen partizipativer Managementstrategien trotz allem Wortgeklingel von teilautonomen Gruppen, dezentralen Entscheidungsstrukturen, flachen Hierarchien und kontinuierlichen, dem Kunden verpflichteten Verbesserungsprozessen selbstredend nicht zur Debatte. Es geht um die Beteiligung von Beschäftigten im Rahmen der vom Management vorgegebenen Grenzen.
Psychologisierung der Arbeit statt Lohn?
Einen bedeutenden Wendepunkt für derartige Ausbeutungsstrategien markieren die in den 1920er Jahren im Auftrag der amerikanischen Elektrizitätsindustrie und dem National Research Council durchgeführten Hawthorne-Experimente in der Western Electric Company. In Folge der zur Untersuchung leistungssteigernder Faktoren durchgeführten Studie setzte sich die Einsicht von der Wichtigkeit sozialer Beziehungen in der Betriebspsychologie und damit, wenn auch nicht ungebrochen, in den betrieblichen Führungskreisen zunehmend durch. Der mit dieser Veränderung einhergehende betriebspsychologische Ansatz der Human-Relations-Bewegung propagierte vor allem, dass ArbeiterInnen weniger an Gehaltserhöhungen, sondern vielmehr an der sozialen Umgestaltung des betrieblichen Arbeitsumfeldes, insbesondere des Führungsstils interessiert seien. Manager beziehen seitdem die psychologische Verfassung und Identität ihrer Untergebenen in ihr Kalkül ein. In verschiedenen Wellen wurden und werden Konzepte partizipativer Führung propagiert, wenngleich empirische Befunde, die eine Steigerung der Zufriedenheit von MitarbeiterInnen durch eine stärkere Einbindung belegen, ausstehen. Der Aspekt einer einhergehenden Verpflichtung zu mehr Verantwortung bei Beschäftigten bleibt so zum Beispiel weitestgehend unbeachtet. Allein die erneute Prüfung der Forschungsdaten aus den Hawthorne-Experimenten ergab, dass der Einfluss von Lohnanreizen auf die Arbeitsleistung im Verhältnis zu sozialpsychologischen Faktoren höher einzuschätzen ist als von den damals beteiligten Forschern angenommen.
Mit welcher Intention verfolgen Manager und Personalabteilungen bis heute dennoch angeblich mitarbeiterorientierte Führungsstrategien?Die in großen Teilen an systemtheoretischen Ansätzen orientierte Literatur zur Organisationsentwicklung gibt hier einigen Aufschluss. Sie verweist auf die chaostheoretisch geprägte Annahme sich selbst regulierender Systeme. Analog zu in der Natur zu beobachtbarer Ordnungsbildung werden die Mechanismen auf soziale Systeme des betrieblichen Alltags übertragen. Passend zur Ideologie des freien Marktes, wird ein sich selbst organisierendes Humankapital gefordert. Allzeit anpassungsbereit soll die moderne Arbeitskraft sich stets den im rasanten Wandel befindlichen Markterfordernissen anpassen und so den Unternehmen den Bestand am Markt ermöglichen. Von einer Selbstorganisation der Einzelnen im Sinne anarchistischer Ideen kann hier freilich nicht die Rede sein. Vielmehr sollen die vielen Selbsts einzig dem übergeordneten Profitinteresse der Firmeneigner dienen. So beschäftigt sich die Managementliteratur inkonsequenterweise mit den Möglichkeiten der Steuerung von Prozessen der Selbstorganisation, obwohl sie, systemtheoretischen Ansätzen konsequent folgend, deren Unsteuerbarkeit anerkennen müsste. Dies gilt insbesondere für widerstandsträchtige Situationen, in denen Firmen Veränderungen mit zum Teil harten Einschnitten für Beschäftigte durchsetzen wollen. So leiteten beispielsweise Befürchtungen, dass die in der Automobilindustrie durchgeführten „Experimente“ der „Selbstorganisation“ in teilautonomen Gruppen und daraus resultierende Handlungsspielräume von Beschäftigen zur Organisation von Widerstand gegen in der Branche vorgenommene Rationalisierungsmaßnahmen genutzt werden könnten, in den 1990er Jahren zunächst eine Rückkehr zu traditionellen Produktionsmethoden ein.
Schneller Wandel ohne Widerstand
Dennoch gilt die dialogorientierte Einbindung von MitarbeiterInnen in Situationen des Wandels heute als vielversprechendes Instrument zur Befriedung von Widerstandspotentialen und zur Einschwörung auf neu zu konstatierende „Notwendigkeiten“. So wurden beispielsweise die ehemals aus sozialen Bewegungen und der kommunalen Arbeit bekannten Großgruppenverfahren, wie „Open Space“, „Zukunftswerkstatt“ u.a. von OrganisationsberaterInnen adaptiert und von der Wirtschaft in den 1990ern zum Teil frenetisch als Verfahren des schnellen Wandels bejubelt. Wie wenig von der eigentlichen Idee eines selbstbestimmten Dialoges unter Gleichen zur Identifizierung von gemeinsamen Zielen übrig bleibt, wenn sie in den Herrschaftsraum der Betriebe überführt werden, zeigt u.a. das Verfahren des „Real Time Strategic Change“ (RTSC). Die Großgruppenverfahren eigene emotionale Dynamik von Gruppen und ihre „energetisierende“ Wirkung wird hier vor allem dazu genutzt, die Belegschaft durch aufrüttelnde Reden des Managements auf einen zuvor von der Führungsspitze entschiedenen Weg einzuschwören und den Firmenzielen abträgliche Wahrnehmungen aufzulösen. Dr. Matthias zur Bonsen, der RTSC in Deutschland bekannt machte, treibt diese Intention mit Verweisen auf Schiller, der den Anschluss ans Ganze als dienendes Glied propagiert (vgl. zur Bonsen 2003, S. 17; Schiller 1797) und auf den chinesischen Feldherren Sun Tsu, nachdem eine Armee kämpfen müsse „wie ein Mann“ (vgl. zur Bonsen 2003, S. 20) in so unangenehmer wie entlarvender Weise auf die Spitze.
Auch das inzwischen weit verbreitete „Führen mit Zielen“ gibt ein paradoxes Bild ab. Es stellt den Versuch der Führungsetagen dar, den insbesondere in komplexen Arbeitsumfeldern notwendigen Handlungsspielraum für Beschäftigte zu gewähren und diesen gleichzeitig durch Zielvorgaben und das Messen an wirtschaftlichen Kennzahlen zum Zweck der Kontrolle wieder zu konterkarieren. Unter dem mitarbeiterorientiert klingenden Label der (Ziel-)Vereinbarung wird das Führen mit Zielen – trotz inzwischen existierender Belege über die demotivierende Wirkung von Leistungsbeurteilungen anhand von Zielvorgaben und ihrer Erfüllung – entsprechend weitergeführt.
Partizipation zur Minimierung von Managerrisiken
Im Zusammenhang mit den Heilsversprechungen partizipativer Führungsstile seien hier zuletzt noch zwei weitere Gründe für ihren Einsatz genannt: Die Beteiligung von Beschäftigten gilt als Mittel zur Minimierung der auf Manager einprallenden „Komplexität der Welt“. Durch die Übertragung von Verantwortung und die Einbindung Vieler in schlussendlich von Managern zu treffende Entscheidungen hoffen diese, das Risiko etwaiger Fehlentscheidungen zu minimieren. Gelingt dies nicht, können Manager ihre Verantwortung so immer noch auf andere abwälzen und immerhin ihr Risiko minimieren.
Der Diskurs über Mitarbeitereinbindung ist zudem eng mit dem Thema Wissensmanagement verbunden. Durch den Abbau von Hierarchieebenen und die Einführung von Teamarbeit hofft man auf eine bessere Verteilung des in den Betrieben vorhandenen Wissens. Man will an das „Gold“ in den Köpfen. Die „Befreiung“ aus der Abhängigkeit vom Wissen Einzelner lässt Manageraugen beruhigt auf die nächste Kündigungsrunde blicken. Es bleibt festzustellen: Von den Führungsetagen verordnete Beteiligung ist alles andere als ein humanes Geschenk an Lohnabhängige. Vielmehr geht es um die perfide Vereinnahmung Beschäftigter, die Unternehmensinteressen zu ihren eigenen machen sollen. Die nachgezeichnete Angst von Managern vor Kontrollverlusten ist allerdings durchaus begründet, denn entstehende Handlungsspielräume lassen sich für eine Selbstorganisation, die diesen Namen auch verdient, nutzen. Beispielsweise aus der Dynamik großer Gruppen Vorteile zu ziehen, ist keinesfalls nur den Führungsetagen vorbehalten. Abgesprochen und kollektiv ließen sich verordnete Beteiligungsevents mitunter gut für die eigenen Interessen und die Formulierung kollektiver Ansprüche nutzen. Könnten die Ängste, die aus der sozialen Kontrollfunktion erwachsen, die derartige Verfahren auch haben, überwunden werden, hieße es schnell: Ich beteilige mich und mach dich nass!
zur Bonsen, Matthias (2003): Real Time Strategic Change. Schneller Wandel mit großen Gruppen. Stuttgart: Klett Cotta Verl.
Schiller, Friedrich (1797): Votivtafeln. Pflicht für Jeden