Während der Westen zumindest vordergründig den Wert der Demokratie als Garant von Freiheit gegenüber diktatorischen Systemen oder Bewegungen hochhält, sucht man Demokratie in den Betrieben des Abendlandes vergeblich.
Industriesoziologen bestätigen der deutschen Gesellschaftsverfassung deshalb eine „geteilte Demokratie“1, die dazu führe, dass bürgerliche Rechte, etwa das ohnehin schon erbärmliche
auf die Wahl von parlamentarischen Stellvertreter_innen, vor den Toren der Fabrikhallen und vor den Türen der Büros an den Nagel gehängt werden müssten. Die Bestrebungen der Regierung zur Einschränkung der Koalitionsfreiheit belegen diese Behauptung aktuell eindrucksvoll. So soll künftig das Recht auf freie gewerkschaftliche Organisierung und die Ergreifung von Arbeitskampfmaßnahmen nur noch der jeweiligen Mehrheitsgewerkschaft zugebilligt werden. In Analogie dazu stelle man sich nur kurz vor, in wieweit sich eine (wie auch immer geartete) politische Demokratie von einer Diktatur unterschiede, wenn nur noch die Partei mit den meisten Mitgliedern in den Wahlkampf ziehen dürfte.Im Kontext einer bereits in den 1920er Jahren von Gewerkschafter_innen durchaus kritisch geführten Mitbestimmungsdebatte, die unter anderen Vorzeichen und weit optimistischer durch die Bewegung zur Humanisierung der Arbeit in den 1970er Jahren aufgegriffen wurde und bis heute von Industriesoziologen geführt wird, lässt sich, zugegeben eher rhetorisch, die Frage danach stellen, warum die Diskrepanz zwischen den proklamierten Werten bürgerlicher Demokratie und der allgegenwärtigen Despotie und Willkür durch Vorgesetzte in den Betrieben immer noch auf eine fast unhinterfragte Akzeptanz stößt. Die Frage lässt sich – schon weniger rhetorisch – damit beantworten, dass die Akzeptanz eben an jener, verfassungsrechtlich das Eigentum vor die Freiheit der anderen setzenden bürgerlichen Demokratie liegt. Die Konsequenzen sind, vom Zwang zur Lohnarbeit über die Verinnerlichung marktkonformer Unterwerfungsmechanismen bis hin zu den Möglichkeiten der Ausbeutung Lohnarbeitender durch Firmeneigner, hinlänglich bekannt. Jenseits der erneuten Feststellung des grundlegenden Ordnungsprinzips kapitalistischer Marktwirtschaft, dem Privateigentum, das eine nachhaltige, weil wirtschaftliche Beteiligung verunmöglicht, lohnt jedoch ein Blick auf aktuelle Partizipationsdiskurse. So hat nicht nur die Politik anlässlich eskalierender sozialer Konflikte, wie z.B. im Verlauf der Auseinandersetzung um Stuttgart 21, Partizipation als Schlichtungsinstrument entdeckt. Auch in den Managementetagen samt ihrer Berater_innen hat sich das Motto „Betroffene zu Beteiligten machen“ als vielversprechendes Instrument zur Steuerung und Durchsetzung von für Beschäftigte meist entbehrungsträchtigen Maßnahmen herumgesprochen. Die Verheißung beteiligungsorientierter Verfahren liegt dabei in der Minimierung potentieller Widerstände bei gleichzeitiger Rationalisierung. Kein Wunder also, dass die Chefetagen inzwischen immer häufiger vom klassischen Top-Down-Ansatz, bei dem offensichtlich von oben nach unten regiert wird, abrücken und stattdessen auf perfidere Methoden der Personalführung setzen. Zielvereinbarungsgespräche, partizipative Verfahren des Wandels, pseudowirtschaftliche Beteiligungen in Form von Aktien, die Delegation klassischer Managementaufgaben an dezentrale operative Einheiten und Betriebsräten, die als Co-Manager_innen fungieren, eint das Ziel der Leistungssteigerung eines jeden Einzelnen.Dieser Umstand ist Anlass für uns, das Thema partizipative Management- und Personalführungsstrategien, die sich allzu leicht in den allgemeinen Wohlfühlkanon demokratischer Werte einfügen, bezogen auf Betrieb und soziale Bewegung in dieser Ausgabe der DA näher zu beleuchten. Wir hoffen so, einen Beitrag zur Entwicklung eines adäquaten widerständigen Umgangs mit Beteiligungsstrategien, die auf einem falschen oder verkürzten Partizipationsverständnis beruhen, zu leisten.
[1] ↑ Moldaschl, Manfred (2004): Wirtschaft, Demokratie und soziale Verantwortung. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht