Anna: Hallo Max, kannst du kurz erklären, wer ihr seid?*
Max: Wir sind die Betriebsgruppe der FAU Berlin für die Humboldt-Universität. Gegründet haben wir uns letztes Jahr nach dem Streik für den Tarifvertrag für studentische Beschäftigte. Kollektiv und solidarisch wollten wir zu den Problemen, die wir haben, aktiv werden und nicht auf Personalräte oder andere Gewerkschaften warten. Die Idee war, eine statusübergreifende Betriebsgruppe aufzubauen, also nicht nur studentische Hilfskräfte und Mittelbau zu organisieren, sondern auch Mitarbeiter*innen in Servicetechnik und Verwaltung oder Lehrbeauftragte. Das war die Idee.
Anna: Und ging die Idee auf?
Max: Zunächst nicht, es interessierten sich v.a. Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen und Hilfskräfte für unser Konzept, aber nach den Anfangsschwierigkeiten und mit etwas Bekanntheit kamen andere Statusgruppen dazu, konkret waren das Lehrbeauftragte und Bibliotheksangestellte. Wir haben über die Probleme geredet, die wir mit unserer Arbeit an der HU Berlin haben. Dazu zählen z.B. Professor*innen, die ihre Macht ausnutzen, wenn sie ihren von der Note abhängigen Doktorand*innen unbezahlte Lehre aufdrängen oder ihren Namen auf Fachartikel abhängiger Mitarbeiter*innen schreiben, die schlechte Bezahlung von Lehrbeauftragten und eben die Tarifflucht mittels Outsourcing in der Bibliothek.
Anna: Was genau geschah in der Bibliothek?
Max: Bis letztes Jahr wurden in der Bibliothek Student*innen nach dem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte angestellt, also mit niedrigerem Lohn und ohne Jahressonderzahlung im Vergleich zum Tarifvertrag des Landes (kurz TV-L). Letztes Jahr gab es dann ein Urteil, das besagte, dass die Leute in den Tarifvertrag des Landes eingegliedert werden müssen und nicht als ‚studentische Hilfskraft‘ gelten. Die HU hat auf das Gerichtsurteil zunächst reagiert, indem sie die Verträge alle nicht verlängert hat. Deshalb sind viele Stellen weggefallen. Ab Beginn 2019 wurden dann über eine externe Firma Leute eingestellt, teilweise über eine Drittfirma, mit Löhnen von 10,25 € die Stunde. Die Stellenausschreibungen waren unter „Praktikum“ gelistet. Dadurch hat die HU versucht, den Tarifvertrag zu umgehen.
Anna: Wie seid ihr dagegen vorgegangen?
Max: Wir haben die Leute nicht als externe Bedrohung gesehen, sondern sind auf sie zugegangen und haben ihnen gesagt: „Ihr könntet auch in den Tarifvertrag eingegliedert werden!“ Das Problem war, dass die Leute super prekär angestellt waren, zum Teil noch über Drittfirmen.
Anna: Wie kam das Problem in die Öffentlichkeit?
Max: Im Juni 2019 ist das Ganze öffentlich geworden. Wir waren nicht die Einzigen, die sich damit beschäftigt haben, auch die Personalrät*innen haben sich damit befasst. Wir haben dann ein Statement zum Outsourcing abgegeben, indem wir auf der langen Nacht der Wissenschaft Flyer verteilt haben mit dem Slogan „Lange Nacht der Auslagerung“. Wir wurden des Geländes verwiesen und die Aktion hat ziemlich viel aufgewirbelt. Im Nachgang dazu gab es einen taz-Artikel, in dem sie auch thematisiert wurde.
Anna: Was waren eure Forderungen?
Max: Wir haben gefordert, dass die studentischen Beschäftigten und die Outgesourcten in den TV-L eingruppiert werden. Die Forderung nach der korrekten Eingruppierung vertrat auch der Personalrat der studentischen Beschäftigten.
Anna: Gab es Reaktionen von der Hochschulleitung?
Max: Erstmal nicht. Das ist typisch für den Umgang der Hochschulleitung mit Konflikten, die auch während des ganzen Konfliktes um den TV-Stud keine Pressemitteilung veröffentlicht hat. In einer Mitteilung des Personalrats an die Beschäftigten wurde die HU-Leitung dann zitiert, dass sie sich weiteres Outsourcing vorstellen können. Nach dem öffentlichen Druck hieß es dann aber seitens des Präsidiums, dass sie die outgesourcten Stellen nicht verlängern und nicht weiter extern vergeben. Die offizielle Begründung dafür war aber, dass eine Wirtschaftlichkeitsprüfung gemacht wurde und es sich angeblich nicht lohnen würde. Die schlechten Arbeitsbedingungen wären demnach also kein Grund, sondern dass es nicht günstig genug ist. Und auch das ist schon eine krasse Aussage.
Anna: Wie schätzt ihr das ein, wird die HU sich an dieses Versprechen halten?
Max: Es sieht schon so aus, dass die HU das tatsächlich machen wird, weil sie nun vermehrt TV-L-Entgeldgruppe-3-Stellen für die Bibliothek ausschreiben. Die ersten 17 Stellenausschreibungen waren schon online. Auch diese sind allerdings unterbezahlt angesichts der Tätigkeiten, für die sie ausgeschrieben wurden und die die studentischen Beschäftigten früher ausführten.
Anna: Gab es während eurer Kampagne auch Rückschläge?
Max: Ja, das Thema hat leider nicht zu so einem großen Wachstum der Gruppe geführt, wie wir gehofft hatten. Die Organisierung der Outgesourcten war ein großes Problem, da sie ja in einem anderen Betrieb waren. Diese Firma zu verdrängen und die Leute dabei zu organisieren und einzubinden ist auf jeden Fall eine Herausforderung – auch wenn wir hoffen können, dass sich einst outgesourcte Mitarbeiter*innen auf die ausgeschriebenen Stellen der HU bewerben. Doch bis dato haben die Leute befristete Verträge und die Rotation ist hoch.
Anna: Wie geht es jetzt weiter?
Max: Derzeit führt die Hochschulleitung eine Diskussion darüber, was studentische Beschäftigte nach dem Hochschulgesetz sind und favorisiert eine Ausweitung auf nichtwissenschaftliche Tätigkeiten. In einer Pressemitteilung wurde das als Ziel genannt. Die eigens herbeigeführte prekäre Situation rund um den Stellenwegfall und das Outsourcing hat die HU als Argument gegenüber der Politik verwendet, dass sich was ändern müsse. Derzeit wird auch das Hochschulgesetz novelliert, die HU nutzt dies, um Lobbyarbeit zu machen.
Anna: Was werdet ihr dagegen tun?
Max: Es ist die Initiative „Studierende in TV-L“ entstanden, die berlinweit Outsourcing aus dem TV-L thematisiert. Diesen Kampf möchten wir weiterhin unterstützen und natürlich verhindern, dass die Definition von studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften ausgeweitet wird, um Leute schlechter bezahlen zu können. Zudem sind die neuausgeschriebenen TV-L-Stellen in der Bibliothek zu niedrig eingruppiert. Das ist ein Konfliktthema, an dem wir dran sind. Neben dieser Geschichte gibt’s an der HU eine Tochterfirma namens Humboldt Innovation, eine GmbH, die zu 100% der HU gehört. Die Leute, die dort angestellt werden, werden teilweise nicht nach Tarif bezahlt, teilweise orientieren sich die Stellen am Tarifvertrag. In Sachen Befristung und betrieblicher Mitbestimmung sieht es dort auf jeden Fall schlecht aus. Über eine Anstellung bei der Humboldt Innovation statt der HU laufen immer mehr Stellen. Das wollen wir angehen und die Tarifflucht der HU bekämpfen.
Anna: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!
Das Interview führte Anna von der Bildungssektion Jena.
*Namen von der Redaktion geändert.
Der Beitrag stammt aus der Uni von Unten #2, der Betriebszeitung für Hochschulen | Jena, Herbst 2019