Die Schikanen des Jobcenters sind vielfältig: Ob sinnlose Maßnahmen oder Sanktionen, durch die man einfachste Bedürfnisse nicht mehr erfüllen kann. Wer dem alleine ausgesetzt ist, kann schnell verzweifeln. Im Ruhrgebiet bietet die FAU darum drei mal monatlich Beratungstermine mit juristisch erfahrenen Personen an.
ALG-II Empfänger*innen müssen sich selten mit Bossen herumschlagen. Warum ist das trotzdem ein Thema für die FAU?
Nachdem zunächst die Beratung als arbeitsrechtlich, klassisch gewerkschaftliche Beratung angeboten wurde, ist uns schnell klar geworden, dass im Umfeld unserer Büros in Duisburg Hochfeld und in der Nordstadt in Dortmund Fragen der Existenzsicherung und Probleme mit der staatlichen Sozialverwaltung in viel größerem Umfang an uns herangetragen werden. Im Übrigen sehen wir aber auch keinen Unterschied zwischen den genannten Bereichen. Unser Ziel ist ja, dem herrschenden System der Arbeit und auch der Verwaltung der Sozialleistungen, die über ein mannigfaltiges System von Maßnahmen, Sanktionen und Gängelungen, ein System der „Arbeitssimulation“ darstellen und Teil des Gesamtsystems sind, an möglichst vielen Stellen etwas entgegenzusetzen.
Wir sehen auch gewerkschaftliches Engagement innerhalb der FAU ganzheitlich und beziehen sämtliche Bereiche von Produktion, Reproduktionssphäre und Sozialverwaltung mit ein, da sämtliche Bereiche geprägt und durchzogen sind vom System des Kapitalismus.
Was sind das für Probleme, mit denen ihr in der Beratung konfrontiert werdet?
Oft ist es schon der erste Schritt, mit den zu Beratenden die Bescheide durchzugehen und die verschiedenen Positionen zu erklären. Jeder/ Jede, die schonmal einen AlG II Bescheid gesehen hat, wird wissen, dass diese nicht ohne Weiteres verständlich und übersichtlich sind. Ferner geht oft um Sanktionen, also um Kürzungen der Leistungen, oder Nichtberücksichtigung von Sonderbedarfen, wie etwa den Alleinerziehendenzuschlag. Soweit es uns möglich ist und wir mit den Interessent*innen die Lage so einschätzen und es erforderlich ist, begleiten wir Personen als Beistand zum Amt.
Wie wehrt ihr euch dagegen?
Es geht in der Erstberatung darum, Optionen aufzuzeigen und den zu Beratenden das Gefühl zu geben, nicht lediglich ein hilfloses Objekt zu sein. Manchmal bleibt es bei einer Ermutigung durch die Erstberatung, dann wiederum kann es zu einem gemeinsamen Gang zum Amt kommen, wodurch nicht etwa „die Fronten“ verhärtet werden, sondern vielmehr Waffengleichheit hergestellt wird. Es kann aber auch dazu kommen, dass wir wegen der Dringlichkeit oder Komplexität an einen Anwalt verweisen müssen.
Das Jobcenter ist eine riesige Institution. Führt ihr einen Kampf gegen Windmühlen? welche Perspektiven seht ihr?
Sicher sind wir dem Jobcenter, wie allen staatlichen Institutionen, tendenziell strukturell unterlegen. Jedoch steht die einzelne zu beratende Person ja nie ausschließlich einem ganzen System gegenüber, sondern ist mit mehr oder weniger fähigen oder verständnisvollen, ablehnenden oder wohlwollenden Sachbearbeiter*innen konfrontiert. Die bereits beschriebene Begleitung als Beistand, Wissen und Information sind unsere Mittel, uns selbst zu wehren und den Menschen, die zu uns kommen, Optionen aufzuzeigen.