Zum Jahresabschluss lud die FAU Hannover zum Grünkohlessen ein. Zwar nicht in das eigene, neue Gewerkschaftslokal im Stadtteil Linden, sondern in das in der Vergangenheit über mehrere Jahre genutzte UJZ Korn, wohl aus Platzgründen. Dennoch stellt das neue Lokal in der Nieschlagstraße eine Zäsur für die größte FAU-Gruppe in Norddeutschland dar. Das Syndikat ist stark gewachsen, führt Arbeitskonflikte offensiv und öffentlichkeitswirksam. Eine dieser Auseinandersetzungen betraf das Geschäft Blumen Wolf im hannoverschen Hauptbahnhof. Ein höherer Lohn konnte durchgesetzt werden und sogar die bundesweit erscheinende taz berichtete darüber. Die FAU in der niedersächsischen Landeshauptstadt ist mustergültig für einen Großteil der Gesamtorganisation. Zwar nimmt die Anzahl der eigenständigen Syndikate nicht wesentlich zu, aber die Gruppengröße steigt erheblich, da vor Ort konfliktfreudige Gewerkschaftsarbeit geleistet wird. Insbesondere in den östlichen Bundesländern haben sich im letzten Jahrzehnt Hochburgen entwickelt.
Allen voran im Großraum Berlin – dort besteht mit Abstand die größte anarchosyndikalistische Gruppe. Beeindruckend ist die Ausdauer, mit der die Genoss*innen den Konflikt wegen der Mall of Berlin seit 2014 führen – so gab es 2018 zwar noch einige ablehnende Urteile, aber die FAU Berlin bleibt dran. Im Sommer konnte die Gewerkschaft ihren zweiten Tarifvertrag abschließen. Nach einem Händler konnte bei einer Alternativschule die Lage gemeinsam mit den Beschäftigten verbessert werden. Mediale Schlagzeilen generierte der Kampf der Speiselieferant*innen bei Deliveroo. Hier beteiligten sich auch Gruppen der bundesweiten FAU. Ebenso in Potsdam gibt es wieder einen FAU-Ableger, welcher sich in der Stadt bereits einen Namen gemacht hat.
Es muss nicht immer in der Metropole sein, um eine nachhaltige gewerkschaftliche Entwicklung zu gestalten. In der thüringische Hochschulstadt Jena stellt die FAU eine schlagkräftige sowie aufstrebende Organisation dar. In der Vergangenheit konnten die Genoss*innen sich schon erfolgreich für Hilfskräfte an der Friedrich-Schiller-Universität einsetzen und strukturelle Verbesserungen erreichen. Erst im November richtete die Bildungssektion der FAU Jena die Konferenz „Akademikerin auf Abruf“ zu den Themen Arbeit und Organisierung in der Bildung aus. Ein weiterer Schwerpunkt des Syndikats war migrantische Arbeit in der Gastronomie. Ebenso im Gastgewerbe engagierte sich die lokale Gruppe in Köln. Mit einem Streik konnten mit den Kolleg*innen ausstehende Gehälter eingetrieben werden. Besonderes erfreulich ist dies, weil es in der Rheinmetropole, bezogen auf die FAU, lange Zeit recht still war.
Zurückliegende Arbeitskämpfe verdeutlichen, dass der Schwerpunkt der anarchosyndikalistischen Bewegung eben im Dienstleistungsbereich liegt, insbesondere in der prekären Arbeitswelt. Hier zeigen die Gruppen der FAU, dass Solidarität von unten eine Waffe gegen die Machenschaften der Bosse ist, wohl auch in den nächsten Jahren.
Über den stetigen Zuwachs im letzten Jahr zu lesen freut mich als ein noch relativ neues FAU-Mitglied sehr, denn es zeigt die gute Arbeit im letzten Jahr, die zum Aufbau bzw zur Festigung der Syndikate in den genannten Städten geleistet wurde. Daran muss die FAU unbedingt anknüpfen, wenn sie ihre gewerkschaftlichen Möglichkeiten und ihre Schlagkraft erweitern will. Wichtig ist dabei von den jeweiligen regionalen Koordinationen als auch von der FAU auf Bundesebene die relevanten Gründe für die Positiventwicklungen in den einzelnen Syndikaten/Branchen zu analysieren. Sprich: Warum kommt wer in welcher Region zu uns und bleibt diese Person auch? Daraus kann die FAU sehr viel über ihre Potenziale und den künftigen Ausbau ihrer Syndikate erfahren.
Mein persönlicher Eindruck ist der: Seriosität, die vermittelt, dass man Interessierten mit ihren Problemen im Betrieb wirklich helfen kann etwas zusammen zu erreichen, ist einer der wichtigsten Motivationsgründe, warum neue Leute zur FAU kommen, die diese Gewerkschaft weiter voranbringen. Genau diejenigen, die auch eine Veränderung bei sich auf Arbeit durchsetzen wollen, sind diejenigen, die eine arbeitskämpferische Gewerkschaft zum Erfolg führen. 2018 konnte das zeigen: dort wo Arbeitskämpfe geführt werden, regt sich Aufmerksamkeit und es bringen sich Leute ein. Neue Leute kommen dazu. Ebenso müssen wir als Anarchosyndikalist*innen daraus lernen, warum in manchen Regionen, in manchen Städten, usw. die Syndikate weniger Potenzial oder Attraktivität besitzen. Wo hat die FAU vll sogar an Boden verloren; in welchen Städten ist sie inzwischen nicht mehr vertreten und warum? Warum also bringen sich weniger Leute dort ein? Ist dort einfach weniger „Potenzial“ für basisgewerkschaftliche Aktionen gegeben, schwierigere Bedingungen? Eine sorgfältige Analyse der bisherigen Entwicklungen in den auch eher „ruhigeren“ Syndikaten dürfte wichtige Erkenntnisse liefern, wo man zwecks Verbesserungen ansetzen kann.
Das Jahr 2019 hat gerade erst angefangen!