Der große Bruder schaut dich an

11. Oktober 2008: „Freiheit statt Angst“-Demo in Berlin

Für den 11. Oktober mobilisiert auch in diesem Jahr ein breites Bündnis zu einer bundesweiten Demonstration gegen den immer mehr ausufernden Überwachungsstaat und die Datengier der Wirtschaft. Der Überwachungswahn greift um sich. Staat und Unternehmen registrieren, überwachen und kontrollieren uns immer vollständiger. Egal, was wir tun, mit wem wir sprechen oder telefonieren, wohin wir uns bewegen oder fahren, mit wem wir befreundet sind, wofür wir uns interessieren, in welchen Gruppen wir engagiert sind – der „große Bruder“ Staat und die „kleinen Brüder und Schwestern“ aus der Wirtschaft wissen es immer genauer. Der daraus resultierende Mangel an Privatsphäre und die Vertraulichkeit gefährden die Freiheit des Glaubensbekenntnisses, die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Koalitionsfreiheit, die Arbeit von Ärzten, Beratungsdiensten und Rechtsanwälten. Die vielfältige Agenda der Reform des Sicherheitssektors umfasst die Aufhebung der Trennung von Polizei, Geheimdiensten und Militär und gefährdet damit die Gewaltenteilung und -balance. Unter Einsatz von Massen-Überwachungstechnologie führt die grenzenlose Zusammenarbeit von Militär, Geheimdiensten und Polizeibehörden zum Aufbau von „Festungen“ in Europa und anderen Kontinenten, die sich gegen Flüchtlinge und anders aussehende Menschen richten, aber zum Beispiel auch politische Aktivisten, arme und unterprivilegierte Menschen und Sportfans betreffen.

Start der Demonstration ist um 14.00 Uhr am Alexanderplatz. Auch verschiedene Gruppen der FAU mobilisieren wie in den Vorjahren. Achtet auf die schwarzroten Fahnen! Infos zur Demo unter www.freiheitstattangst.de.

 

Konzern-Spitzel infiltriert Attac Schweiz

Mehr als ein Jahr lang hat eine Mitarbeiterin des Sicherheitsdienstes Securitas unter dem falschen Namen „Sara Meylan“ das Netzwerk Attac in der Schweiz ausspioniert. Auftraggeber der Aktion ist einem Bericht des Schweizer Fernsehsender TSR zufolge der weltgrößte Nahrungsmittel-Multi Nestlé gewesen. Meylan hatte unter anderem an dem Buch „Attac gegen das Imperium Nestlé“ mitgearbeitet und soll dabei sämtliche Recherchen an die Nestlé-Konzernzentrale in Vevey weitergegeben haben.

Der Arbeitgeber der Spitzelin, der Sicherheitsdienst Securitas, operiert nach Angaben der zuständigen Polizeibehörde schon seit Jahren mit geheimdienstlichen Methoden. So erklärte Jean Sauterel (Kantonspolizei des Waadtlands), man wisse von Securitas, „dass sie verschiedene Gruppen von Globalisierungsgegnern infiltriert haben.“ Der Generalsekretär der Securitas, Reto Casutt, musste denn auch im Schweizer Fernsehen zugeben, dass seine Firma von Nestlé beauftragt worden sei, Globalisierungsgegner auszuspähen. Nestlé selbst bzw. der Konzern- Sicherheitsdienst, dessen Chef ein ehemaliger Agent des britischen Geheimdienstes MI6 ist, wollte sich zu dem Vorfall nicht äußern. Attac hat mittlerweile Strafanzeige gestellt.

 

Elena – Pilotanwendung für den Trojanischen Schlüssel

Die Bundesregierung plant die Einführung einer Signatur-Chipkarte für sämtliche lohnabhängig Beschäftigten in der BRD. Auf dieser Karte befindet sich ein digitaler Schlüssel, mit dem Behörden vereinfachten Zugriff auf die zentral gespeicherten Gehaltsunterlagen von mehr als 40 Millionen Menschen erhalten sollen. Zunächst soll die Karte für „Elena“ benutzt werden. Das klangvolle Kürzel steht für den „elektronischen Entgeltnachweis“. Künftig soll die Chipkarte dann aber auch der Generalschlüssel für die Beantragung u.a. von Kinder-, Arbeitslosen-, Übergangs-, Wohn- oder Elterngeld sein. Technisch steckt hinter der Karte das gleiche Verfahren wie schon bei der umstrittenen „Gesundheitskarte“. Auf dem Chip befindet sich ein eindeutiger Signaturschlüssel. Die Bundesagentur für Arbeit wird die Bezieher von Leistungen künftig auffordern, mit ihrer Karte den SachbearbeiterInnen den Zugriff auf den Zentralspeicher zu gewähren, an den die Firmen monatlich die Gehaltszahlungen übermitteln müssen. Der so entsperrte Datensatz kann dann direkt in das System der Behörde übernommen werden.

Die Kosten für die Karte müssen die Beschäftigten tragen, wobei diese Kosten immer wieder anfallen. Wirtschaft und Behörden erhoffen sich von der Chipkarte neben der Einführung einer zentralen Signatur-Infrastruktur Personaleinsparungen durch Verwaltungsvereinfachung. Für die Beschäftigten ist die Karte ein weiterer Schritt hin zu einer immer mehr zentralisierten und abgleichbaren Datenkrake.

 

Südwestmetall horcht Azubis aus

Ein besonders dreistes Beispiel an Datensammelwut legte im Mai der Bildungsträger „Berufliche Bildung GmbH“ im Auftrag des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg (Südwestmetall) an den Tag. Auszubildende sollten einen Fragebogen mir rund 40 Fragen beantworten, die weit in die Privatsphäre eingreifen. So wollten die Bosse u.a. wissen, ob ihre Azubis Moscheen oder Kirchen besuchen und welche Drogen sie so konsumieren. Auch über die Eltern hätte man gerne Auskunft: Was für eine Berufsausbildung haben die, welche Medien werden in der Familie genutzt, wurden Konsumgüter bar bezahlt oder auf Raten gekauft, gibt es im Haus ein Auto oder Kunstwerke und besitzt das Haus einen Garten?

Zwar versicherte Südwestmetall, die Umfrage sei anonymisiert, aber gleich zu Beginn werden auf den Fragebögen Schul- und Unternehmensnummer sowie die Personennummer abgefragt. In etlichen Fällen soll den Azubis auch signalisiert worden sein, dass ihre berufliche Perspektive mit dem Ausfüllen der Fragebögen verknüpft sei.

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