Gläserne Zeiten

Ein neuer Monat, eine neue Überwachungsmaßnahme: Am 25. Juni wurde die Organisationsreform der Unfallversicherung beschlossen. Diese soll eigentlich der Straffung des berufgenossenschaftlichen Systems dienen. Aber neben Neuerungen, wie z.B., dass die Berufsgenossenschaften von 23 Stück auf neun reduziert werden, oder der Verringerung der Erwerbsminderungsrenten, wurde eine zentrale Erfassung der in der BRD geleisteten Arbeitszeit beschlossen.

Ganz konkret heißt das, dass jeder Betrieb Stechuhren oder andere Systeme einführen muss, mit denen die Arbeitszeiten genau protokolliert werden sollen. Die daraus gewonnenen Daten müssen dann an die jeweilige Krankenversicherung weitergegeben werden, und die wiederum gibt die Daten an die Rentenversicherung und die Träger der Unfallversicherung weiter. Diese berechnen nun anhand der Arbeitszeit und der Gefahrenklasse der Arbeit einen Beitrag, den der Arbeitgeber zu zahlen hat.

Die somit entstehende Datenbank bietet tiefen Einblick in das Leben der ArbeiterInnen, da darin nicht nur steht, wie viel jeder Arbeiter und jede Arbeiterin in der BRD arbeitet, sondern auch vermerkt wird, welche Tätigkeiten verrichtet werden, um damit die Gefahrenklasse zu bestimmen. Im Gegensatz zu der alten Regelung werden die Informationen nicht mehr betriebsweise weitergegeben, sondern individuell durch jeden Arbeiter. Dies und die zentrale Sammlung der Daten erlaubt eine Verbindung und den Abgleich mit anderen Datenbanken. Werden die Daten der „Zentralen Arbeitszeiterfassung“ z.B. mit der neu eingeführten Job-Card kombiniert, kommt jeder, der auf die Job-Card zugreifen darf, an umfangreiche Informationen über den Besitzer. Die Verwendungsmöglickeiten der Informationen sind im Moment noch so eingeschränkt, dass eine solche Kombination vorerst nicht möglich ist. Ob das so bleibt oder ob die Informationen wie bei der LKW-Maut immer freigiebiger hergegeben werden, kann keiner sagen. Ebenso wenig, ob oder wie viele Leute unerlaubt auf diese Datenbanken zugreifen.

Als Begründung für die Zentrale Arbeitszeiterfassung wird Kostenersparnis angegeben. Diese soll zustande kommen, indem die Berufsgenossenschaften die Beiträge nach der exakten Arbeitszeit erheben können. Doch die Berufsgenossenschaften hatten bereits zuvor das „Recht“, die Informationen anzufragen, die nun unter die Zentrale Arbeitszeiterfassung fallen, aber offensichtlich gar kein Interesse daran. So wurde es bisher geduldet, dass die Informationen nur pauschal gemeldet wurden. Und viele Betriebe haben deswegen kein Zeiterfassungssystem. Kosten werden also nicht wirklich gespart. Im Gegenteil: alle, die sparen müssten, beschweren sich über Mehrkosten und übermäßige Bürokratie. Auch erklärte sogar der Präsident des Bundes verbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven, dass es Kleinstunternehmen nicht zugemutet werden könne, aufwendige Zeiterfassungssysteme zu installieren, und dass die geplante Neuregelung sogar bei der gesetzlichen Unfallversicherung auf Ablehnung stöße. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist, dass der Nationale Normenkontrollrat, der überprüfen soll, welche Bürokratiekosten entstehen, gerade die fragliche Neuregelung nicht überprüft hat.

Da die offiziell angegebenen Gründe für die Zentralisierung der Arbeitszeiterfassung offensichtlich nicht stimmen, dieses Gesetz aber einen enormen Einblick in die Arbeitswelt zulässt, kann man annehmen, dass genau dies der Zweck des Gesetzes ist.

Tim Grocki

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