Erwerbslosenprojekte in Deutschland

Tacheles wurde 1994 als Selbsthilfeverein von Sozialhilfe-BezieherInnen gegründet. Den direkten Anstoß für die Gründung gaben die rassistischen Brandanschläge von Solingen und Mölln. Entsolidarisierung der Gesellschaft, Sozialabbau, Prekarisierung und der schon damals diskriminierende Umgang auf den Sozialämtern wurden als wesentliche Ursachen für die starke Zunahme rassistischer Gewalt im wiedervereinigten Deutschland gesehen. Mit dem Mittel solidarischer Unterstützung im Kampf gegen Ämterrepression und bei der Bewältigung des Alltags sowie der Durchsetzung der Rechte von Erwerbslosen, wurde besonders ein Ziel verfolgt: Die Formierung einer wirkungsvollen und selbstbewussten Interessensvertretung, die dem sozialen Trend entgegensteuert.

In der Gründerzeit fand die Sozialberatung noch in Privaträumen statt. Das Wissen dazu hatten sich die BeraterInnen am „eigenen Fall beigebracht und autodidaktisch vertieft. Mit eigenen Vereinsräumen und festen Beratungszeiten machte die Beratung, was Fachlichkeit und Erfolgsquote gegenüber dem Amt angeht, schließlich schnell Fortschritte. Bald kam ein Café und Stadteilladen dazu, später der Abendbetrieb mit Kneipe.

Nach nunmehr 15 Jahren Sozialberatung und etlichen einschneidenden „Sozial- und Hartz-Reformen hat sich Tacheles einen Ruf als parteiische Einrichtung für Erwerbslose gesichert. Das Angebot wird weit über die Stadtgrenzen Wuppertals hinaus wahrgenommen. Im Januar 2009 hat der Verein ein neues Zentrum eröffnet. Hier finden inzwischen über 50 persönliche Beratungen und drei Stunden Telefonberatung pro Woche statt. Das Beratungsteam verfolgt dort, wo es angezeigt ist, eine offensive Strategie der Rechtsdurchsetzung gegenüber den Ämtern. Die angeschlossene Anwaltskanzlei sichert die Fortsetzung der Verfahren vor den Sozialgerichten. Die Kooperation dieser zwei Ebenen hat sich als schlagkräftig und erfolgreich erwiesen und sie befördert den fachlichen Austausch.

Das soziale Angebot des Vereins wird inzwischen ausschließlich ehrenamtlich organisiert, da alle öffentlichen Fördermittel gestrichen und ABM-Förderung abgeschafft wurde. Beraten wird im Tacheles allerdings immer noch jede und jeder, auch diejenigen, die sich die Beratungsgebühr von fünf Euro gerade nicht leisten können.

Überregional bekannt ist vor allem die Internetseite des Vereins. Sie ging 2001 online und entwickelte sich schnell zur Informationsplattform zum Thema Sozialhilfe, später Hartz IV. 2009 verzeichnet das Internetangebot von Tacheles monatlich ca. 8 Mio. Besucher. Inzwischen enthält es Datenbanken für Beratungs- und Anwaltsadressen, Sozialrechtssprechung sowie Richtlinien der Sozialverwaltung und wird von Betroffenen, professionellen Rechtsanwendern und sogar ARGE-MitarbeiterInnen genutzt. Im angeschlossenen Internetforum erhalten hunderte Ratsuchende täglich Unterstützung bei der Lösung von Problemen mit Sozialbehörden.

Die kommunalpolitische Praxis der „Erwerbsloseninitiative Tacheles fokussiert die Zustände auf dem Amt. Dabei konnten durch offensive Ämterbegleitung und Selbstorganisierung dieses Jahr viele neue MitstreiterInnen gewonnen werden. Die erste Zahltagaktion in Wuppertal hat eine rege Debatte über die Arbeitsweise und Umgangsformen der ARGE sowie die schlechte Rechtsposition der Betroffenen entfacht. Einfache Alltagsforderungen, wie schnellere Antragsbearbeitung, Erreichbarkeit der SachbearbeiterInnen oder unbürokratische Eingangsbestätigungen kamen sehr gut an bei den Betroffenen und Passanten. Die Präsenz in den ARGEn wollen wir deshalb ausbauen – durch weitere Zahltage, eine unabhängige Kunden-Zufriedenheitsumfrage im Amt und den Ausbau der solidarischen Ämterbegleitung.

Tacheles e.V., Rudolfstraße 125, 42285 Wuppertal
Offene Beratung: Di. & Do. ab 8:30 Uhr, Telefonberatung: Do 14-17 Uhr (0202-318441)
www.tacheles-sozialhilfe.de

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