Kein Blackout

Demonstration am 11. März. Quelle: Indymedia Athen

Nicht erst seit kurzem steht Griechenland am Rande des wirtschaftlichen Ruins. Das Land gehörte innerhalb der EU von Beginn an zu den ökonomisch schwachen Staaten. Die private Verschuldung ist von 16,8 Mrd. 2001 auf 98,3 Mrd. Euro im Jahr 2008 gestiegen. Der Durchschnittslohn lag 2008 bei 789 Euro und das bei einem Preisniveau knapp unter dem mitteleuropäischem Durchschnitt. Junge Erwachsene verdienen oft nur 600 Euro für einen Vollzeitjob. Angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von 22 % diktieren die Chefs die Arbeitsbedingungen und Löhne. Obwohl die reale Arbeitszeit – trotz der Berichte deutscher Medien über die „faulen Griechen“ – die zweithöchste in der EU ist, verdient ein griechischer Arbeiter nur rund die Hälfte eines deutschen.

Die knallharte Durchsetzung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes der EU gerade in Griechenland verfolgt verschiedene Ziele. Einerseits soll ein Auseinanderbrechen der Eurozone verhindert werden, da nicht nur die griechische Schuldenkrise die Stabilität der Gemeinschaftswährung gefährdet, sondern der als Domino-Effekt befürchtete Bankrott in weiteren Mitgliedstaaten. Das Land steht in der Wirtschafts- und Finanzpolitik faktisch unter Zwangsverwaltung. Da das Schuldendefizit vor allem durch Sozialabbau, Lohn- und Rentenkürzungen gedrückt werden soll, dient der massiv von den europäischen Partnern ausgeübte Druck auch dazu, der sozialdemokratischen Pasok-Regierung unter Georgos Papandréou bei der Schocktherapie gegen die eigene Bevölkerung den Rücken zu stärken. Niemand wäre zur Durchsetzung der Einschnitte besser geeignet als die Sozialdemokraten mit ihrem Machtapparat in den großen, staatstragenden Gewerkschaften. Deregulierungsmaßnahmen, die in den letzten zwei Jahrzehnten am entschlossenen gesellschaftlichen Widerstand scheiterten, sollen nun auf einen Schlag durchgesetzt werden. In Anbetracht der instabilen innenpolitischen Situation ein zumindest gewagtes Spiel.

Demonstration am 11. März. Quelle: Indymedia Athen

Um „Erfahrungen im Umgang mit Modellen zur polizeilichen Kontrolle von Großstadtbevölkerungen und zur Ermittlung von gefährlichen Formen der organisierten Kriminalität und des Terrorismus, dem Schutz von VIP’s und die besten polizeilichen Lösungen bei Massenprotesten und Demonstrationen auszutauschen“, reisten Mitte März der Chef der griechischen Polizei und der Direktor der Division zur Bekämpfung spezieller Gewaltverbrechen (Antiterrordivision) nach Berlin, um sich mit Kollegen der deutschen Bundespolizei zu treffen.

Das Sparprogramm

Demonstration am 11. März. Quelle: Indymedia Athen

Die am 5. März von der Regierung verkündeten Einschnitte haben es in sich. Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19 auf 21 Prozent, höhere Steuern auf Benzin (ca. 12 Cent der Liter), Tabak (ca. 1 Euro pro Packung) und Alkohol (ca. 20 % pro Flasche), Kürzung der Gehälter im Öffentlichen Dienst um 12 %, bei zusätzlicher Kürzung des 13. und 14. Monatsgehalts um 30 % sowie die Verlängerung der Lebensarbeitszeit um zwei Jahre. Die Renten werden für fünf Jahre eingefroren, der Bildungsetat wird weiter gekürzt. Die Maßnahmen werden abgerundet durch die Erhöhung der Strom- und Wasserpreise. Mit der Neueinführung einer Luxussteuer auf Nobelkarossen, Yachten und Hubschrauber, und einer Sonderabgabe von 1 % auf Großgrundbesitz und Einkommen über 100.000 Euro im Jahr soll der Klassengerechtigkeit genüge getan werden. Kein Hindernis ist der drohende Staatsbankrott für die weitere Aufrüstung des Militärs. Beliefert von EU-Staaten wird sich Griechenlands Armee für Milliardensummen neue Fregatten, Kampfflugzeuge und anderes Kriegsgerät zulegen.

Der Widerstand

Obwohl in der Folge auch Lohnkürzungen im privaten Sektor befürchtet werden, zeigen Umfragen, dass die Bevölkerung gespalten ist. Viele sehen zumindest die Einschnitte im Öffentlichen Dienst als gerechtfertigt an. Knapp 800.000 GriechInnen, 20 % der arbeitenden Bevölkerung, sind beim Staat beschäftigt. Jahrzehntelang wurden treue Parteisoldaten mit Beamtenposten belohnt. Abgeordnete, Bürgermeister, Präfekten und Gemeindevorsteher versorgten so ihre UnterstützerInnen, deren einzige Leistung die Loyalität zum Parteibonzen war.

Demonstration am 11. März. Quelle: Indymedia Athen

Wenig positive Resonanz erfährt die angekündigte Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Die „Schattenwirtschaft“ ist in Griechenland weder die Ausnahme noch ein Privileg der Reichen. Sie gehört schlicht zum Alltag und stellt für ein Viertel der Bevölkerung mittlerweile fast die einzige Existenzgrundlage dar. Der Widerstand fällt in Anbetracht der Ausmaße des Sparprogramms eher verhalten aus. Auf einer Kundgebung am 6. März hatten wütende Arbeiter den Vorsitzenden des Gewerkschaftsdachverbands GSEE, Giánnis Panagópoulos, mit Joghurt und Kaffee beworfen, als „Verräter“ am Reden gehindert und mit Schlägen vom Mikrofon gejagt. Dem Sozialdemokraten Panagópoulos wird parteipolitisches Taktieren und die Spaltung der Streikbewegung vorgeworfen. Betriebsgruppen, Basisgewerkschaften und die anarchosyndikalistische ESE hatten erfolglos die Ausrufung eines unbegrenzten Generalstreiks gefordert, die GSEE beschränkte sich auf einen 24stündigen Generalstreik am 11. März.

Direkte Aktionen wie die kurzzeitige Besetzung der Staatsdruckerei durch die Arbeitenden sind bisher Einzelfälle. Fast immer geht es um Abwehrkämpfe wie bei den Kollegen der geschlossenen ELITE-Schuhfabrik in Athen, die um ausstehende Löhne kämpfen, oder den seit der Privatisierung arbeitslosen Angestellten von Olympic Airways, deren Entschädigungen ausstehen. Tageweise Streiks verschiedener Berufsgruppen wie der Krankenschwestern, der ÄrztInnen, der Weinbauern, Tankstellenbetreibern oder Bauern stören immer wieder den Tagesablauf, bieten jedoch keine übergreifenden Perspektiven. Auch der 48-stündige Streik der Arbeiter der Nationalen Elektrizität (DEI) führte zwar zu kurzfristigen Stromabschaltungen und der Gefahr eines allgemeinen Blackout, änderte jedoch nichts am Regierungskurs.

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