Während des Russischen Bürgerkrieges 1918–1922 formierten sich innerhalb des bolschewistischen Teils der Arbeiterbewegung verschiedene Gruppen und Diskussionszirkel, die offen die Politik der Kommunistischen Partei als bürokratisch und anti-proletarisch kritisierten. Neben dem Frieden von Brest-Litowsk, der auch von anderen linken Strömungen der Bolschewiki als unvereinbar mit der Weltrevolution verurteilt wurde, stießen sich die zum Lager der Arbeiteropposition zuzurechnenden Stimmen an der Bevormundung der Arbeiterschaft durch Staat und Partei, dem repressiven Kriegskommunismus und Lenins Neuer Ökonomischer Politik (NÖP), die die Wiedereinführung kapitalistischer Elemente in die Wirtschaftspolitik vorsah. Auf dem X. Parteitag im März 1921 brandmarkte Lenin die Arbeiteropposition als „anarchosyndikalistische Abweichung“; er setzte sich schließlich in allen Punkten gegen die Arbeiteropposition durch, und ein generelles Verbot von Plattformen und Fraktionen innerhalb der Partei wurde beschlossen. Führende Vertreter der Arbeiteropposition bemühten sich in den Folgejahren vergeblich um eine Reorganisation.
Dass es überhaupt eine Arbeiteropposition innerhalb der Bolschewiki geben konnte, erscheint auf den ersten Blick paradox, stützte sich Lenins Partei doch ausdrücklich auf das Proletariat. Aber unter dem Eindruck von Revolution und Bürgerkrieg entwickelte die russische Arbeiterschaft ein nie dagewesenes Selbstbewusstsein, das bald mit dem autoritären Führungsstil und Alleinvertretungsanspruch der Partei schwerlich in Einklang zu bringen war. Während der Kriegsjahre hatte sich in den Fabriken ein System der Selbstverwaltung etabliert, das auf Vollversammlungen und den sogenannten Fabrikkomitees basierte und nicht nur die Produktion, sondern oftmals auch die Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Grundgütern in die Hand der Arbeiter selbst legte. Solange die allgemeine Situation instabil war und die Bolschewistische Partei ihre Kräfte auf die Kriegsführung bündelte, tolerierte sie diese Entwicklung, zum Teil auch wohlwollend, war sie doch mit der Wirtschaftsleitung oftmals überfordert. Als sich jedoch ein Obsiegen über die Konterrevolution abzuzeichnen begann und sich die Macht der Partei in Russland gefestigt hatte, wurden per Dekret die Betriebe unter zentrale Leitung gestellt und die Selbstverwaltung aufgehoben, was von den betroffenen Arbeiterinnen und Arbeitern nicht gerade mit Beifall quittiert wurde. Ein Graben zwischen der Partei und ihrer Basis tat sich auf – oder wurde vielmehr sichtbar, denn tatsächlich waren Partei und Arbeiterschaft stets zweierlei gewesen. Lenins Avantgarde des Proletariats, die straff von oben nach unten organisierte Kaderpartei von Berufsfunktionären, nahm für sich zwar in Anspruch, dem Wohle der Arbeiterschaft zu dienen, wollte jedoch allein bestimmen, worin dieses besteht. Dem Proletariat wurde grundsätzlich misstraut, so dass nur wenige es aus seiner Mitte zur Parteimitgliedschaft brachten; der Anteil führender Parteifunktionäre, die aus der Arbeiterklasse stammten, war denn auch verschwindend gering.
Bis zum Winter 1920/21 kam es immer häufiger zu Protesten und Demonstrationen aus den Reihen der Arbeiter und Arbeiterinnen. Sie forderten die Wiedereinführung der Arbeiterselbstverwaltung und die Bildung freier Gewerkschaften. Im Februar breitete sich eine Streikwelle im Land aus. Manche Gruppen der Arbeiteropposition stellten den Führungsanspruch der Partei infrage und verlangten eine eigenständige Rolle der Gewerkschaften (eine sogenannte Dreiteilung der Macht aus Räten, Partei und Gewerkschaften). Trotz weitreichender Überschneidungen in Kritik und Forderungen kam es nicht zu einer massiven Solidarisierung der Arbeiteropposition mit dem Kronstädter Matrosenaufstand Anfang März. Und auf dem zeitnah folgenden X. Parteitag gelang es Lenin, die brandgefährlich gewordene Arbeiteropposition auszubooten, indem einerseits ihre Strukturen verboten, andererseits aber ihr prominentester Sprecher, der Metaller A. G. Schljapnikow, in die Parteispitze aufgenommen wurde (der erste Arbeiter im ZK!).
Alle Hoffnungen, auch nur Teilforderungen der Arbeiteropposition durchzusetzen, scheiterten in der Folgezeit. Der Kreis um Schljapnikow gab 1926 schließlich resigniert auf. Stalin hielt dagegen Schljapnikow auch noch 1937 für so gefährlich, dass er ihm nicht erst den Schauprozess machte, sondern ihn direkt erschießen ließ.
Matthias Seiffert