Die Krise ist vorbei, zumindest in der Industrie. So scheint es wenigstens, denn nach dem Rekordjahr 2008 und dem kolossalen Einbruch im Jahr 2009 kehrt die Eisen- und Stahlbranche dieses Jahr zurück. Und nach vier Verhandlungswochen und drei Tagen Warnstreik schloss die IG Metall (IGM) Ende September bzw. Anfang Oktober im Nordwesten und im Osten den neuen Flächentarif ab: 3,6 Prozent Lohnerhöhung für rund 93.000 Beschäftigte der Branche, bei einer Laufzeit von 13 Monaten. Im Saarland wird im November verhandelt.
Zeitgleich wurde ein weiterer Tarifvertrag (Laufzeit 24 Monate) geschlossen. Die Stahlunternehmen verpflichten sich laut IGM, ab Januar keine LeiharbeiterInnen mehr einzusetzen, die weniger verdienen als die Stammbelegschaft, oder die Lohndifferenzen auszugleichen. Damit wäre „Equal Pay“ – gleicher Lohn für gleiche Arbeit – erstmals tariflich garantiert. Bisher dienten Tarifverträge in der Zeitarbeit nämlich dazu, das gesetzlich vorgeschriebene Equal Pay zu unterlaufen.
Inwieweit dieser symbolträchtige Vertrag wirklich umgesetzt wird, darüber kann man derzeit nur spekulieren. Die Branche der Sklavenhändler jedenfalls findet ihn inakzeptabel. Sie fühlt sich übergangen und sieht ihr Geschäftsmodell gefährdet, obwohl sich die Zahl der Leihkräfte derzeit mit Riesenschritten der Millionenmarke nähert. Der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) spricht jedenfalls von einem „Vertrag zu Lasten Dritter“, der rechtlich angreifbar wäre. Übrigens, als genau einen solchen Vertrag könnte man die geltenden Tarifverträge bezeichnen, die die Unternehmerverbände mit CGB und DGB geschlossen haben: Nur ganz wenige der Leihkeulen sind nämlich bisher überhaupt gewerkschaftlich organisiert. Und ohne die Tarife hätten sie Anspruch auf Equal Pay. Die DGB-Tarifgemeinschaft hat im erst Frühjahr 2010 ihren Vertrag mit den Sklavenhändlern verlängert, und zwar bis Oktober 2013!
In der Stahlbranche – nicht zu verwechseln mit der Metall- und Elektroindustrie – ist der Anteil der Leiharbeit mit 3% relativ gering, wohingegen der Organisationsgrad der IG Metall (nach Eigenangaben) bei 90% liegt. Dies dürfte die Unternehmer zur Unterschrift bewogen haben; zumal die Gleichbezahlung mancherorts schon durch Betriebsvereinbarungen Usus war. Inwieweit der Leih-Abschluss anfechtbar ist, ist umstritten. „Zu Lasten Dritter“ geht er aber nicht, weil sich die Stahl-Chefs verpflichteten, notfalls selbst für den Lohnausgleich geradezustehen.
Inwieweit der Abschluss zum Modell wird, ist trotz der DGB-Kampagne gegen Leiharbeit nicht ausgemacht. In der Metallbranche ist der Anteil der Leihkeulen im Durchschnitt doppelt so hoch. Hier läuft aber die Friedenspflicht für die IGM noch bis April 2012. Außerdem dürfte der Organisationsgrad weit unter dem der Stahlarbeiter liegen. Demnach, so kommentiert der Berliner Arbeitsrechtler Hensche, „handelt es sich eher um einen einmaligen symbolischen Tarifabschluss, mit dem vor allem die Politik beeinflusst werden soll.“