Sparpakete und soziale Einschnitte kennen wir in Europa zur Genüge: sogenannte „Reformen“ der Sozialsysteme, der Rentenversicherung und des Arbeitsmarkts gehören zum politischen Alltag. Nun reiht sich auch die „kommunistische“ Trutzburg Kuba in die Reformspur ein und verfolgt ähnliche Pläne. Diese sehen insbesondere massenhafte Entlassungen in der staatlichen Wirtschaft vor, die immerhin 85% der fünf Mio. kubanischen ArbeiterInnen beschäftigt. 500.000 von ihnen sollen bis Mitte März die Staatsbetriebe verlassen. Zudem entfällt im Zuge der Sparmaßnahmen das Arbeitslosengeld, das Erwerbslosen bislang einen verhältnismäßig abgesicherten Lebensstandard ermöglichte.
Die sozialen Folgen der Massenentlassungen sollen durch die Initiative der Betroffenen und die Privatwirtschaft aufgefangen werden. Dementsprechend werden 178 der bisher dem staatlichen Sektor vorbehaltenen Dienstleistungen zukünftig auch Privatpersonen gestattet sein, die diese als „Arbeit auf eigene Rechnung“ erbringen können und dem Staat Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abführen sollen. Außerdem soll ein Teil der Entlassenen in privaten Unternehmen oder Kooperativen Arbeit finden. Ob letzteres in größerem Maßstab wirklich möglich ist, ist angesichts des Mangels an bestimmten Rohstoffen und Produktionsmitteln fraglich.
Propagandistisch unterfüttert wird die Reform von der Staatsgewerkschaft Central Cubana de Trabajadores (CTC). Mitte September veröffentlichte sie in der Parteizeitung Granma eine Erklärung zu den Plänen der marktwirtschaftlichen Öffnung: „Weder kann noch darf unser Staat weiterhin Dienstleistungsunternehmen erhalten, die … mit aufgeblähten Belegschaften und Verlusten die Wirtschaft schwächen, … schlechte Angewohnheiten fördern und das Verhalten der Arbeiter deformieren.“ Und weiter: „Es ist notwendig, die Produktion … zu erhöhen, die exzessiven Sozialausgaben zu senken und unangebrachte Privilegien, überhöhte Subventionen … und die Frührente abzuschaffen.“
Trotz der Tragweite der Einschnitte wird die Reform von CTC und Regierung nur als ein Schritt auf dem Weg des Sozialismus und seiner wirtschaftlichen Entwicklung gewertet, der aufgrund äußerer Einflüsse wie des US-Embargos notwendig geworden sei. Von einem Bruch mit der vorherigen Linie könne keine Rede sein. Kritiker der Reform, wie die anarchistische exilkubanische Gruppe Movimiento Libertario Cubano (MLC), sehen in der Privatisierung hingegen nicht den nächsten Schritt zum Sozialismus. Es zeige sich nun, dass sich die Castro-Brüder „vom Sozialismus, aber nicht von der Macht verabschieden“, erklärte die MLC im September in Reaktion auf die Ankündigung der Massenentlassungen, sie schlussfolgert weiterhin: „Um an der Macht zu bleiben, haben sie sich entschieden, zunehmend eine offen kapitalistische Wirtschaftspolitik durchzusetzen.“
Sebastian Frei