Fußball erscheint häufig als reiner Kommerz: die Aushängeschilder des Sports sind Millionäre in der internationalen Ligen, Spieler und Trainer wechseln jährlich die Vereinstrikots und zahlreiche Clubs sind börsennotiert oder das Prestigeobjekt reicher Unternehmer, Ölscheichs oder osteuropäischer Oligarchen. Auch vermeintlich alternative Vereine, die sich in dieser Sphäre bewegen, haben nicht unbedingt alternative Strukturen und sind denselben Marktzwängen unterworfen.
Die meisten Fußballvereine bewegen zwar sich in anderen Gefilden, denn alle Spielklassen unterhalb der 2008 eingeführten eingleisigen Dritten Liga werden dem Amateurfußball zugerechnet. Tatsächlich hat aber auch hier eine umfassende Kommerzialisierung eingesetzt. Bereits in der viertklassigen Regionalliga sind Jahresetats von 1,5 Millionen Euro keine Seltenheit, selbst in der fünftklassigen Oberliga üben einige Spieler keinen Beruf neben dem Fußball aus.
Vereine, die keine zahlungskräftigen Sponsoren auftreiben können, um die Lizenzauflagen des DFB bezüglich der Stadionausstattung zu erfüllen, können entweder nicht aufsteigen oder übernehmen sich finanziell und gehen – wie in den letzten Jahren mehrfach in der 3. und 4. Liga geschehen – insolvent bzw. können nur durch sechs- oder siebenstellige öffentliche Subventionen davor bewahrt werden.
Millionenschwere Etats, teure Spieler und drohende Insolvenzen sind noch nicht das Problem des Roten Stern Leipzig (RSL). Der 1999 gegründete alternative Fußballverein aus dem Leipziger Stadtteil Connewitz hat gerade ungeschlagen den Aufstieg in die Bezirksliga Leipzig Nord, den fünften Aufstieg in der Vereinsgeschichte, geschafft. Vor zwölf Jahren war der Verein mit dem Anspruch angetreten, es anders zu machen: basisdemokratisch strukturiert ohne die sexistischen und rassistischen Tendenzen, die in einigen anderen Vereinen zutage treten. Auch in die Breite ist der Verein inzwischen gewachsen, bei rund 400 Mitgliedern umfasst er ein gutes Dutzend Frauen-, Männer- und Jugendmannschaften sowie andere Sportarten wie Basketball oder Schach.
Seit seiner Gründung hat der Rote Stern sich als alternativer Verein verstanden. Geschäftsführer Adam Bednarsky erklärt, dass alle Entscheidungen im Konsensprinzip auf dem wöchentlichen Plenum beschlossen würden. Die meisten Funktionen im Verein werden von Ehrenamtlichen übernommen, also das Catering, die sportliche Leitung und die Geschäftsführung. Auch die Spieler und der Trainer der ersten Mannschaft erhalten keine Aufwandsentschädigungen, wie bei anderen Vereinen in der gleichen Liga durchaus üblich. Alle zahlen, wie andere Vereinsmitglieder, ihren Mitgliedsbeitrag und sogar ihr Ticket im Bus, mit dem die Roten Sterne zu Auswärtsspielen fahren. Beim Vereinsfest standen die Spieler der Ersten hinter dem Zapfhahn und schenkten Bier aus.
Dennoch hat man beim RSL die Erfahrung gemacht, dass der Verein ein Niveau erreicht hat, auf dem nicht mehr alles so nach dem „Do it yourself“-Prinzip erfolgen kann wie in der ersten Saison, als man mit zwei Mannschaften den Spielbetrieb in der 11. Liga aufnahm. Für Bednarsky ist in dieser Hinsicht schon seit Jahren „das Ende der Fahnenstange“ erreicht. „Man kann nicht irgendwen zur Polizei schicken, um das Sicherheitskonzept für die neue Saison auszuhandeln“, erklärt er. Ein Verein, der vier Fußballplätze zu betreuen hat, gerade in einen Sozialtrakt investiert und allein rund elf Fußballmannschaften hat, könne nicht mehr alle Tätigkeiten ehrenamtlich durchführen. Insbesondere, da viele Mitglieder der ersten Stunde inzwischen Familien gegründet oder zeitaufwändigere Berufe haben. Trotzdem hat der Rote Stern das Ziel, weiter aufzusteigen, „so weit unsere sportlichen Füße uns tragen“. An weiterer Professionalisierung führe kein Weg vorbei. Dennoch steht die Basisdemokratie nicht zur Disposition. Bednarsky betont, dass auch Festangestellte dem wöchentlichen Plenum gegenüber rechenschaftspflichtig wären. Es sei durchaus möglich, dass eine gewählte und vom Verein bezahlte Person spezifische Aufgaben ausführt, wenn das „vernünftig strukturell flankiert“ werde. Zudem fördere die Basisdemokratie den ehrenamtlichen Einsatz, weil „die Leute so sehen, was im Verein zu tun ist“ und sich besser einbringen könnten.
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