„Die Berliner sind die gesündesten Arbeitnehmer Deutschlands.“ So beginnt der Artikel in der Berliner Morgenpost vom 23. März über den Report der DAK-Gesundheit. Demnach meldeten sich Berliner ArbeitnehmerInnen 2011 an nur 14,4 Tagen krank. Von 1000 Berliner Versicherten kamen pro Tag nur 39 nicht zur Arbeit. Wenn sie allerdings krank wurden, dann mit 12,7 Tagen am längsten im Bundesdurchschnitt. Und ein dritter Befund: Die psychischen Erkrankungen steigen und machen derzeit 14% der Krankmeldungen aus.
Sind die Berliner ArbeiterInnen wirklich so gesund? Denn setzt man die Zahlen in Bezug zu den grassierenden prekären Beschäftigungsverhältnissen, kann man auch zu anderen Schlüssen kommen: Wer prekär lebt, meldet sich seltener krank, und wenn dann doch kein Weg drum herum führt, dann ist man gleich länger krank. Gleichzeitig bedeutet prekäre Beschäftigung Unsicherheit und Stress, was psychische Erkrankungen fördert. Auch ganz allgemein lässt sich in einer Arbeitswelt, in der so viel Druck ausgeübt wird wie in der unsrigen, aus einem niedrigen Stand an KrankMELDUNGEN nicht schließen, dass die Menschen tatsächlich selten krank sind. Vielmehr lässt sich begründet mutmaßen, dass sich die Krankschreibung verkniffen wird.
Genauso wie man sich die Mobilität verkneift: Denn in der gleichen Ausgabe der Berliner Morgenpost wird eine Forsa-Umfrage vorgestellt, nach der 24% der Verbraucher aus Kostengründen auf Mobilität verzichten. Von diesen haben 62% der 18- bis 29-Jährigen auf Verwandtenbesuche verzichtet, ebenso viele der 30- bis 44-Jährigen auf auswärtige Freizeitaktivitäten, 48% der über 60-Jährigen auf Besuche von FreundInnen und Verwandten und gar 23% von ihnen auf Arzt-Besuche. Zusammenfassend ist es erschreckend, welches gesellschaftliche Bild sich in einer einzigen Zeitungsausgabe auftut. Eine Gesellschaft durchdrungen von Prekarität und Verzicht auf soziale Teilhabe und ärztliche Versorgung. Aber warum zum Henker sollten wir auf Leben verzichten?