Unser fleißiger, ruhiger Freund

Die Polizei löst die Menge bei der St. Alphonsus Kirche auf, Zeichnung von John Sloan (1871-1951) "Calling the Christian Bluff"1905 emigrierte Frank Tannenbaum im Alter von 12 Jahren von Österreich in die USA, nach New York. Dort lernte er Emma Goldman kennen und wurde aktives Mitglied der Industrial Workers of the World (IWW). In seiner Freizeit half er viel im Büro der anarcha-feministischen Zeitschrift Mother Earth. Goldman schrieb über ihn, sie hätte die Hoffnung gehabt, dass er eines Tages eine wichtige Rolle im Arbeitskampf übernehmen würde. Allerdings hatte sie nicht erwartet, dass er so schnell auf den Ruf der Stunde reagieren würde.

Als Anfang 1914 die Arbeitslosigkeit stieg, war er mit 21 Jahren die leitende Figur eines Aufstands in der Lower West Side von Manhattan. Ca. 200 arbeitslose und hungrige Menschen marschierten auf die Kirchen zu und verlangten nach Essen und einem Dach über dem Kopf. Die meisten Kirchen gaben dem Druck nach, doch nach 10 Tagen kam es bei der St. Alphonsus Kirche zu einem Gewaltausbruch mit der Polizei. In dessen Verlauf wurde Tannenbaum verhaftet und verbrachte daraufhin ein Jahr im Gefängnis.

Beim Raffinerie-Streik von 1915 in Bayonne, New Jersey, in dem 1200 ArbeiterInnen für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Gehalt ihre Arbeit niederlegten, versuchte Tannenbaum als Sprecher der Streikenden zu agieren. Der Streik führte zu Aufständen und Brandstiftungen in der Stadt und forderte mindestens fünf Tote auf Seiten der ArbeiterInnen. Beim Wiederherstellen der Staatsgewalt wurde Tannenbaum erneut verhaftet.

Nach seiner Haftentlassung änderte sich das Leben von Tannenbaum. Er schaffte es mit Hilfe eines Wärters an die Columbia Universität. Dort schloss er 1921 sein Bachelor Studium mit Ehren ab und arbeitete anschließend als Korrespondent in Mexiko. Nach einer Zeit in der U.S. Army fing er an, sich für Ethnien und ihren Einfluss auf den Süden der USA zu interessieren. Aus den darauf folgenden Studien entstanden zwei Bücher über die afrikanisch-amerikanischen Erfahrungen. Er erlangte seinen Doktor in Wirtschaftswissenschaften mit einer Arbeit über die Landreform in Mexiko. Dort verbrachte er viele Jahre als Berater der Regierung unter Präsident Cárdenas. In dieser Zeit beschäftigte er sich mit Gewerkschaften, Bauern, Indianern und der Bildung. In seinen Texten verteidigte er oft das soziale Programm der Regierung, selbst als diese schon ihren radikalen Anspruch verloren hatte.

1932 kehrte er in die USA zurück und wurde Professor für Kriminologie an der Cornell Universität. Dort entwickelte er auch das Konzept der „Dramatisierung des Bösen“, welches als Vorläufer der kriminal-soziologischen Labeling-Perspektive gilt.

Politisch wurde er noch einmal 1937 aktiv, als er bei der Ausarbeitung des Gesetzes für die „Farm Security Administration“ half, die als Teil des New Deal unter F.D. Roosevelt der armen Landbevölkerung helfen sollte.

Frank Tannenbaum starb 1969 in New York. Heute ist er am besten bekannt für seine Arbeit im Bereich der Kriminologie und der lateinamerikanischen Geschichte.

Quellen:

cw.routledge.com/ref/harlem/tannenbaum.html

journals.cambridge.org/action/displayAbstract;journals?fromPage=online&aid=7436440

Goldman, Emma, 1931: Living my Life, New York: Alfred A. Knopf, Inc.

Brenner, Aaron; Day, Benjamin; Ness, Immanuel, 2009: The Encyclopedia of Strikes in American History, New York: M.E. Sharpe, Inc.

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