Verleihen oder versklaven?

Eher selten steht Namibia im Fokus der Gewerkschaften. Doch der multiethnische Staat, der als letztes Land Afrikas seine Unabhängigkeit 1990 erlangte, besitzt eine agile Streikkultur. Erst Mitte Oktober drohten tausende Krankenschwestern mit ihrer Kündigung und setzten auf Streik, was eine Diskussion über ein Streikverbot in lebenswichtigen Bereichen nach sich zog. Fünf durchgeführte Streiks in diesem Jahr wurden als illegal bewertet. In diesem Klima währt seit über vier Jahren eine Auseinandersetzung um das Verbot der Leiharbeit. Im März 2009 unterlag dort Namibias größte Leiharbeitsfirma, die Africa Personel Services (APS) in erster Instanz vor dem obersten Gerichtshof, welcher der Argumentation folgte, dass Leiharbeit eine moderne Form der Sklaverei sei und damit nicht verfassungskonform. Bereits im Juli 2008 hatte damals der Absatz 128 des New Labour Act festgelegt, dass „niemand gegen Entgelt eine Person anstellen darf, in der Absicht, sie einer dritten Partei als Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen“. APS klagte weiter und erreichte einen Aufschub. Nur wenige Monate später war das Verbot der Leiharbeit per richterlichem Schiedsspruch wieder vom Tisch. Der Absatz 128 selbst, sei verfassungswidrig und Leiharbeit damit legal. Gewerkschaften sowie die SWAPO-Regierung, welche seit der Unabhängigkeit ununterbrochen regiert, akzeptierten die damalige Entscheidung nur widerwillig und kündigten weitere Schritte an gegen Leiharbeit vorzugehen.

Seit Ende 2011 liegt nun ein neues Gesetz vor, welches Leiharbeit effektiver als bisher eindämmen und nach Befürchtungen der Arbeitgeberverbände sogar verbieten würde. Der seit Monaten heiß diskutierte neue Absatz 128 schreibt vor, dass Firmen, die Leiharbeit in Anspruch nehmen, in vollem Maße die Verantwortung für die geliehene Arbeitskraft tragen müssen sowie, dass LeiharbeiterInnen nicht zum Streikbruch eingesetzt werden dürfen. Der Anreiz für die Nutzer von Leiharbeit lag bisher in gerade diesen Aspekten. LeiharbeiterInnen haben nach dem neuen Gesetz ebenso Ansprüche wie Festangestellte: bezahlten Urlaub, Sozialversicherung und sogar Schwangerschaftsschutz und letztlich denselben Lohn. Zusätzlich wird LeiharbeiterInnen ausdrücklich die Mitgliedschaft in Gewerkschaften zugestanden.

Arbeitgeberverbände beklagen nun, dass in Zukunft die Nachfrage nach Leiharbeit damit rapide fallen würde und prophezeien steigende Erwerbslosenzahlen. Genau hier setzen auch die KritikerInnen der Leiharbeit an, die anmahnen, dass die Leiharbeit lediglich für Produktionsspitzen und saisonalen Arbeitskräftebedarf gedacht war und der Schutz vor Ausbeutung vor dem gewinnorientierten Einsatz billiger Arbeitskräfte steht. Die Leiharbeitsagenturen sehen einen erheblichen Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit und weisen dies ebenso als Verfassungsbruch aus. Die Angst der Agenturen ist es, dass Unternehmen sich nun selbst ihre LeiharbeiterInnen aussuchen, sollte ein Arbeitskräftemangel entstehen. Die derzeitige Klägerin, die African Labour Services (ALS), beklagt bereits Vertragskündigungen von Unternehmen und einen Rückgang vermittelter LeiharbeiterInnen um 75 %. über diesen Grundsatzstreit und die Auslegung, welche Verfassungsrechte tatsächlich eingeschränkt werden – das Verbot der Sklaverei oder die unternehmerische Freiheit – werden die Gerichte entscheiden. Die Richter des namibischen Obergerichts haben eine Entscheidung in dem Fall während der Verhandlung im September vorerst aufgeschoben.

Ein Kommentar zu «Verleihen oder versklaven?»

  1. Wahnsinn! Da ist uns Namibia voraus. Lesen kann man davon in den Mainstream-Medien natürlich null.

    Und die unfähigen,lebensfremden HR-„Manager*innen“ mit einem BA oder MA of nothing florieren.

Schreibe einen Kommentar