Bittere Niederlage bei FRAPE-Behr in Barcelona

Die Firma FRAPE-Behr S. A. produziert in Barcelona Komponenten für die spanische Automobilindustrie. Als im September 2007 Gerüchte über eine geplante Umstrukturierung oder gar Werkschließung die Runde machten, begannen sich die rund 300 ArbeiterInnen gegen die Pläne des Managements zu wehren. Das geschah zunächst eher vorsichtig und mit den traditionellen Mitteln betrieblicher Konfliktschlichtung. Schon wenige Wochen später ging es aber richtig zur Sache.

Die Firma „FRAPE Behr S. A.“ gehört zur „Behr GmbH & Co. KG“ mit Sitz in Stuttgart. Der Konzern ist ein wichtiger Zulieferer für die Automobilindustrie im Bereich Klimatechnik. In dreizehn Beteiligungsgesellschaften arbeiten weltweit knapp 20.000 ArbeiterInnen für Behr, um dem Konzern einen Jahresumsatz von zuletzt über 3 Milliarden Euro zu bescheren. In Spanien produziert Behr u. a. in der Freihandelszone „Zona Franca“ von Barcelona, einem Zentrums der iberischen Automobilindustrie. Einen weiteren Standort unterhält FRAPE-Behr in Montblanc bei Tarragona, eine Autostunde von Barcelona entfernt.

Die Automobilhersteller versuchen in ständig neuen Anläufen, die Preise ihrer Komponentenlieferanten zu drücken, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Die Zulieferer versuchen, diesen Druck durch permanente Rationalisierung aufzufangen und das Letzte aus den Belegschaften herauszupressen. Eine Strategie, die sich in der Summe offensichtlich bezahlt macht, schließlich gehören etliche Automobilzulieferer mittlerweile zu den lukrativsten Aktienwerten im DAX.

Auf der Strecke bleiben die Beschäftigten. Personalabbau und Arbeitsverdichtung gehen Hand in Hand, die Belegschaften der unterschiedlichen Werke werden gegeneinander ausgespielt und das trotz oder vielleicht auch wegen eines durchaus vorhandenen Eurobetriebsrates.

30 Prozent Lohnsenkung oder Schließung

Der Konflikt in Barcelona nahm seinen Anfang damit, dass die Firmenleitung den bestehenden Tarifvertrag aus dem Jahr 2004 vorzeitig kündigen und neu verhandeln wollte. Darin hatte sich die Firma gegenüber den am Deal beteiligten Gewerkschaften verpflichtet, bis mindestens zum Jahr 2009 eine Belegschaftsstärke von wenigstens 275 Festangestellten zu erhalten. Im Gegenzug hatten die Gewerkschaften, u. a. die CC.OO. (1) und die UGT (2), dafür gesorgt, dass die Belegschaft die bittere Pille des Einfrierens der Löhne und weitreichende Flexibilisierungen akzeptierte.

Doch dieses Zugeständnis genügte dem Management drei Jahre später nicht mehr. Jetzt wurden von der Belegschaft weitere Flexibilisierungen, die Senkung des Krankenstandes und eine Lohnsenkung von 30 Prozent verlangt. Zusätzlich sollten 102 Stellen gestrichen werden. Angesichts des wütenden Aufschreis der Belegschaft gegen diese Zumutungen, sah sich der Betriebsrat veranlasst, die Forderungen abzulehnen. Schließungsdrohung

Als hätte sie nur darauf gewartet, ging die Firmenleitung umgehend an die Presse und verkündete, man werde das Werk in der Zona Franca schließen, weil Betriebsrat und Gewerkschaften ein profitables Weiterbetreiben des Standorts unmöglich machen würden. Gegenüber der Presse kündigte das Unternehmen an, man werde schon in einigen Tagen das gesetzlich vorgesehene Verfahren für einen Restrukturierungs- und Sozialplan (expediente de regulación de empleo – ERE) bei der katalanischen Regionalregierung einleiten. Die Strategie war offensichtlich – entweder die Belegschaft kriecht zu Kreuze oder es droht die Schließung. Tatsächlich allerdings dürfte eine Schließung nie ernsthaft auf der Tagesordnung gestanden haben, es ging ausschließlich um die Einschüchterung.

Unter dem Teppich qualmt es

Die Drohung verfehlte zunächst ihre Wirkung, auch wenn sich vordergründig erst einmal wenig tat. Die meisten aus der Belegschaft waren stinksauer, diskutierten und überlegten, was man machen kann. Parallel dazu stieg der Krankenstand und das eine oder andere Arbeitsmittel ging versehentlich zu Bruch. Im Oktober traten einige Beschäftigte der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft CNT bei und organisierten sich als Betriebsgruppe. Wie in vielen Konflikten üblich, forderte die CNT auch bei FRAPE-Behr, dass die Belegschaft selbst in Vollversammlungen über jeden weiteren Schritt entscheidet. Dadurch soll verhindert werden, dass verschiedene Gewerkschaften oder der Betriebsrat hinter dem Rücken der Belegschaft verhandeln. Ab Oktober gab es daraufhin regelmäßige Vollversammlungen und in den meisten Fällen hielten sich die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften auch an deren Beschlüsse.

Von da an gewannen die Mobilisierungen an Fahrt. Die Versammlung hatte beschlossen, dass man weder über Verschlechterungen noch gar über einen Sozialplan verhandeln werde. Stattdessen wurden eine Vielzahl von Aktionen diskutiert und organisiert, darunter die Mobilisierung von Unterstützung in der Stadt.

Kalte Schulter in Montblanc

Zunächst aber, das war den ArbeiterInnen klar, mussten sie mit ihren KollegInnen im zweiten, weitaus größeren, spanischen Standort in Montblanc bei Tarragona sprechen und sich deren Solidarität versichern. Schließlich war klar, wenn FRAPE-Behr in Barcelona durchkäme, wäre Montblanc als nächstes an der Reihe. Als Betriebsrat und Gewerkschaften in Montblanc nicht auf Kontaktversuche reagierten, mieteten die ArbeiterInnen in Zona Franca kurzerhand drei Busse und fuhren am 18. Oktober nach Tarragona. Dort hatte die Firmenleitung bereits die Tore geschlossen und die Polizei wartete auf die Delegation aus Barcelona und prügelte erst einmal in die Menge. Zwar gab es vereinzelte Solidarisierungen, aber den ArbeiterInnen aus Barcelona wurde schnell klar, dass bei Behr jeder für sich kämpft und sie weder mit Unterstützung aus Montblanc und noch viel weniger mit der von Betriebsrat oder IG Metall aus Stuttgart rechnen konnten.

Mobilisierungen

Nach weiteren Diskussionen begann die Belegschaft nun eine Welle von Aktionen in Barcelona. Demos, Infoveranstaltungen, Straßenblockaden – ab Anfang Dezember waren die Leute von FRAPE-Behr und einem Unterstützungskomitee beinahe täglich auf der Straße. Im Werk ging die Produktivität immer weiter zurück, kaum jemand sah noch ein, seinen Job zu machen. Als am 12. Dezember der VfB Stuttgart für ein Spiel der Champions-League in Barcelona gastierte, wurden das Mannschaftshotel von einer Delegation der ArbeiterInnen besucht. Mit Schmunzeln nahmen sie zur Kenntnis, dass der Vereinspräsident ihnen versicherte, er kenne den Konzernchef persönlich und werde diesem die Beschwerden der spanischen Arbeiter weiterleiten.

FRAPE-Behr feuert Aktivisten

Nur zwei Tage zuvor hatte die Firma sechs ArbeiterInnen fristlos entlassen, unter ihnen auch ein Mitglied der CNT. Jenes teilte mit, dass die Firma ihm und den anderen fünf vorwerfe, sie hätten im Werk Unruhe gestiftet und Sabotageakte begangen. Für die Arbeiter stellten die Kündigungen nur die Spitze eines Eisberges von Schikanen dar, zu denen die Werksleitung in den letzten Monaten gegriffen hatte und zu denen u. a. penible Einlasskontrollen gehörten, die angeblich aus „Sicherheitsgründen“ notwendig geworden seien.

Eskalation zu Weihnachten

Kurz vor Weihnachten sickerte durch, dass die Firmenleitung bei der „linken“ Regionalregierung, der „Generalitat“, einen Sozialplan eingereicht hatte, der die Entlassung von rund 100 ArbeiterInnen vorsah. Daraufhin wurde am 21. Dezember das Werk ein erstes Mal besetzt, um Druck auf die Firmenleitung auszuüben, aber auch auf die Behörden. Die Forderung war klar: Der Plan solle fallen gelassen bzw. nicht behandelt werden. Nach fünf Tagen wurde die Besetzung zunächst einmal bis zu einem Gesprächstermin Anfang Januar ausgesetzt.

Internationale Unterstützung

Mitte Dezember erfuhr die FAU von dem Konflikt in Barcelona und bot umgehend ihre Unterstützung an. Schließlich hatte die Behr-Gruppe ja ihren Konzernsitz in Stuttgart und verfügte über eine Reihe von Niederlassungen in der BRD. Innerhalb kurzer Zeit wurden Informationen über den Konflikt verbreitet und die Behr-Niederlassung in Wolfsburg erhielt Besuch von FAUistas aus Hannover und Braunschweig. Neben einer Protest-Postkarte, die in mehreren tausend Exemplaren Verbreitung fand, wurden weitere Aktionen vorbereitet. Ab Ende Dezember erreichte die Streikenden – nach einem Aufruf der anarcho-syndikalistischen Internationale IAA – dann auch noch Unterstützung aus weiteren Ländern.

Der bittere Geschmack der Niederlage

Bei einem Gespräch mit Vertretern der Regionalregierung am 2. Januar zeichnete sich ab, dass diese den Entlassungsplan praktisch ohne Änderung durchwinken würde. Die Belegschaft reagierte mit einer zweiten Besetzung, während die Firmenleitung die Aussperrung verfügte – und sie nach einigen Tagen wieder aufhob. Daraufhin wurde auch die Besetzung beendet, weil viele die Befürchtung hatten, dass es zu Auseinandersetzungen zwischen BesetzerInnen und „Arbeitswilligen“ kommen würde, was der Polizei einen Vorwand zum Eingreifen böte. Bereits während der ersten Besetzung hatte der Sicherheitsdienst der Firmenleitung die BesetzerInnen bedroht.

Mit dem Ende der Besetzung war der Kampf faktisch verloren. Es ging jetzt nur noch um einen „Sozialplan“. Der aber war Sache der Verhandlungsprofis der großen Gewerkschaften und des Betriebsrats – die Dynamik des Kampfes war damit zu Ende. Der Entwurf sah vor, dass 92 ArbeiterInnen, zusätzlich zu den sechs bereits Gefeuerten, gehen sollten. Alle sollten magere Abfindungen in Höhe von 45 Tageslöhnen pro Beschäftigungsjahr erhalten, wobei maximal 3,5 Jahre angerechnet wurden. Zusätzlich bot die Firma einen Abschlag von 4.000 Euro an. Im Gegenzug sollte der Betriebsrat der Demontage von einem der drei Öfen zustimmen. In einer erregten Belegschaftsversammlung und erst im dritten Anlauf wurde der Plan am 23. Januar mit 156 gegen 76 Stimmen angenommen. Wenig später wurde bekannt, dass die Firmenleitung einen Teil der Abfindungen in eine Qualifizierungsgesellschaft einzahlen wird. Am 28. Januar erklärte der Betriebsrat dennoch die Auseinandersetzungen für beendet.

Nach Monaten der Mobilisierung, der Aktionen, des gemeinsamen Handelns, des Erfahrens der eigenen Stärke und Schwäche, ist das für viele ein bitteres Ende gewesen. Etliche der AktivistInnen werden FRAPE-Behr in den nächsten Wochen verlassen, weil sie nicht bereit sind, sich dort zu noch schlechteren Bedingungen ausbeuten zu lassen. Andere werden bleiben, um dem Management auch weiter in die Suppe spucken zu können. Was bei vielen bleibt und nachwirkt, ist die Erfahrung der Kollektivität in den Monaten des Kampfes.

Anmerkungen

1) CC.OO | Comisiones Obreras Reformistische spanische Gewerkschaft, früher der spanischen KP nahestehend.
2) UGT | Union General de Trabajadores Sozialdemokratische spanische Gewerkschaft mit enger Beziehung zur Sozialistischen Partei.

 

Protest-Postkarte

Zur Unterstützung der Streikenden hatte die FAU eine Protest-Postkarte herausgegeben. Die Rückseite der Karte war an die Konzernzentrale adressiert und enthielt einen Protest gegen die Politik der Behr-Gruppe. Nachdem u. a. labournet.de, chefduzen.de und IndyMedia einen Hinweis auf die Aktion veröffentlichten, konnte die Karte schon nach wenigen Tagen nachgedruckt werden. Die Überschüsse aus dem Vertrieb gingen an die Streikkasse in Barcelona. Vielen Dank an dieser Stelle an alle UnterstützerInnen!

 

Zusätzliche Informationen

Detaillierte Infos und Hintergründe (in spanischer Sprache) über den Konflikt finden sich u. a. auf folgenden Websites: cnt-frape.blogspot.com und barcelona.cnt.es

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