Kittchen Business

Man muss kein ausgewiesener Gegner von Privatisierungen öffentlicher Einrichtungen oder des Strafvollzugssystems an sich sein, um sich vorstellen zu können, dass Verlagerungen im Bereich des Justizvollzuges vom Öffentlichen Dienst weg und hin zur Privatwirtschaft nicht förderlich für die Situation der Gefangenen sein werden. Die Privatisierungsbestrebungen dürften drastische Verschlechterungen zur Folge haben, so dass die schon jetzt krisenhafte Lebenslage Inhaftierter sich weiter zuspitzen wird.

Spezialisten der Käfighaltung

Ende Dezember 2007 verkündete Baden- Württembergs Justizminister Goll, man habe der Firma Kötter Justizdienstleistungen GmbH & Co. KG aus Essen den Zuschlag für den teilprivatisierten Betrieb der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Offenburg erteilt.

Ab voraussichtlich Mitte 2009 soll die dann fertig gestellte Anstalt in weiten Teilen von besagter Firma betrieben werden. Vor einem Jahr bekam selbige Firma ebenfalls den Zuschlag hinsichtlich des Betriebs der JVA Burg (Sachsen-Anhalt). Konkret sollen künftig die Angestellten der Firma Kötter für den Gefangeneneinkauf, die Wäscherei, die Küche, das Gebäudemanagement, die Telefonanlagen, den Freizeitbereich, Sport, Bücherei ebenso zuständig sein, wie für die ärztliche Versorgung, den Sozial- und den psychologischen Dienst.

Wer sich die Website der Firma Kötter (www.koetter.de) ansieht, entdeckt dort einen sog. „Sicherheitsrat“. Nach dem Bekunden des Unternehmens ginge es bei diesem darum, „den Dialog und die Kooperation“ mit unterschiedlichen Sicherheitsbereichen aufzunehmen. Berufen wurden in dieses erlauchte Gremium des Privatunternehmens u. a. General a. D. Wegener (ehem. Chef der GSG 9), Dr. Peter Frisch (ehem. Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz), Horst Heitmann (Polizeidirektor a. D.; ehem. Leiter einer Mordkommission), Klaus Homeyer (Polizeikommissar a.D.).

Als Gefangener mag man sich nicht recht ausmalen, wie Gefängnisbedienstete einem gegenübertreten, die von einem ehemaligen GSG 9-Chef geschult oder ideologisch auf ihren Dienst mit „Kriminellen“ vorbereitet wurden, der erst vor wenigen Jahren dadurch auffiel, dass er Elitetruppen der NS-Wehrmacht ob ihrer Tapferkeit rühmte.

Das Kalkül des Profits

Relativ unbedarft äußerte Justizminister Goll, es würden keinerlei Aufgaben an Privatfirmen delegiert, welche „Eingriffscharakter“ aufweisen; d. h., die Juristen der Anstalt sowie die Wärter, die Gefangene überwältigen und fesseln dürfen, sie alle blieben Beamte.

Aber handelt es sich bei Psychologen und Ärzten nicht auch um Personal mit „Eingriffscharakter“? Eine nur vordergründig akademische Frage. Schon jetzt macht sich nämlich bei Gefangenen die Sorge breit, künftig würden Privatfirmen (wie eben Kötter) bzw. deren Psychologen jene psychologischen Gutachten verfassen, die über Freilassung oder Vollzugslockerung entscheiden (denn die Juristen können mangels eigener Ausbildung letztlich nur den Ergebnissen der Psychologen folgen), und so wesentlichen Einfluss auf die (vorzeitige) Freilassung nehmen. Dabei dürften die jeweiligen Firmen gar kein Interesse an einer geringen Auslastung „ihrer“ Anstalten haben, treten sie doch zugleich als partielle Betreiber auf. Und nur wenn die Arbeitsbetriebe, in denen die Insassen arbeiten müssen, gut ausgelastet sind, stimmt auch am Ende der Gewinn.

Die Angestellten selbst, die eigentlich die Gutachten erstellen müssen, werden sich wohl kaum von wirtschaftlichen Erwägungen leiten lassen. Doch wird sich nicht schließlich der Druck des Arbeitgebers Kötter bemerkbar machen, sollte es durch zu viele positive Gutachten zu einer geringeren Belegung des Gefängnisses kommen?

In den USA oder auch Großbritannien sind viele Gefängnisse gänzlich privatisiert und deren Betreiberfirmen an den Börsen der Welt notiert – mit all den bekannten negativen Folgen für die Gefangenen, für deren Familien und letztlich für die Gesamtgesellschaft.

Thomas Meyer-Falk

Homepage: www.freedom-for-thomas.de

Kontakt: Thomas Meyer Falk, c/o JVA – Z. 3113, Schönbornstr. 32, 76646 Bruchsal

 

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