Die infame Kunst der Betriebsführung

Am Samstag, den 7. Juni 2008 fanden vor fünf Filialen der Künstlerbedarfskette Boesner (in Köln, Frankfurt, Berlin, Wien und Graz) Proteste statt. Anlass war die Einführung von Samstagsarbeit in der Kölner Filiale, die am selben Tag erstmals stattfand, und die Verhinderung einer Betriebsratswahl in selbiger Filiale im Januar 2008. Zwischen beiden Sachverhalten (Samstagsarbeit und Betriebsratsverhinderung) besteht ein ursächlicher Zusammenhang. Denn die Samstagsarbeit wurde von der Kölner Geschäftsführerin Carmen Gieselmann angedroht, falls die Kölner Beschäftigten ihr Ansinnen einer Betriebsratsgründung nicht fallen lassen würden. Im Januar waren die Kölner Beschäftigen (ca. 25) in intensiven Einzelgesprächen und mehrfachen Gruppen-Terminen von ihrer dominanten Chefin und einer Handvoll Lakaien derart eingekocht worden, dass die Mehrheit für einen unabhängigen Betriebsrat in Frage stand. Dass die Samstagsarbeit nun dennoch kam, brachte das Fass zum Überlaufen.

Vor der Kölner Filiale protestierten am Samstagvormittag zwischen 10–15 Personen, nachdem die Industrial Workers of the World (IWW) in Köln dazu aufgerufen hatten. Es wurden Flugblätter an die Kundschaft verteilt, die meist interessiert zur Kenntnis genommen wurden. In den anderen Städten in Deutschland und Österreich beteiligten sich GenossInnen der FAU sowie der österreichischen Föderation der ArbeiterInnen-Syndikate (FAS).

Sowohl in Frankfurt als auch in Berlin kamen die Geschäftsführer vor die Tür und zeigten sich empört über die Intervention von IWW und FAU. Sie hätten nichts mit der Kölner Filiale zu tun. Das ist beim Blick in das Handelsregister allerdings falsch: Die Gesellschafter der Berliner Boesner GmbH sind Michael Harnacke (Potsdam), Wolfgang Ekkehard Boesner (Witten) und besagte Carmen Gieselmann (Wildenburgstraße 9, 50939 Köln). Gieselmann ist darüber hinaus noch an der Münchner Filiale (in Forstinning) beteiligt. Gesellschafter der Frankfurter Filiale sind der Geschäftsführer Joachim Schmelzer (zu 33%) sowie die Boesner Großhandels GmbH aus Witten (zu 66%). Die Kette ist zudem durch einen zentralen Katalog, einheitliche Markenführung etc. als zusammenhängend erkennbar und angreifbar. In 24 Filialen gibt es übrigens nur einen einzigen Betriebsrat (in Witten).

Die Kette ist nach Einschätzung der Kölner Wobblies ein Gegner, der zwar ernst zu nehmen ist, aber durchaus besiegbar sein dürfte. Die Geschäftsberichte zeigen, dass der Laden floriert. Der Informationsdienst Creditreform taxiert den Jahresumsatz für 2007 in Köln bei 10 Mio. Euro, das Handelsregister weist für Berlin einen Jahresumsatz für 2006 von 6 Mio. aus, gegenüber 2,6 Mio im Vorjahr. Obwohl sich das Unternehmen in den Jahren seit seiner Gründung in den 1980ern ein alternativ-progressives Image gegeben hat, gehen viele KünstlerInnen mit einem Grummeln im Bauch zu Boesner. Denn sie sind sich der Tatsache bewusst, dass es sich hier um eine Kette in Ikea-Manier handelt, die durch Dumpingpreise und Massenabnahmen den Markt der kleinen Kunstbedarfsläden in den Innenstädten nach und nach austrocknet. Die Beratung lässt zu wünschen übrig (auch aufgrund von Stress und Personalunterbesetzung) und von KünstlerInnen geschätzte Faktoren wie Exklusivität und Stil sind der Boesner-Kette nur durch Marketing-Maßnahmen künstlich angeheftet. Das Milieu der Kunst- und Kulturschaffenden, von dem Boesner lebt, dürfte sicherlich einigermaßen sensibel darauf reagieren, wenn undemokratische Machenschaften und verstärkter Ausbeutungsdruck thematisiert werden.

Ein Kommentar zu «Die infame Kunst der Betriebsführung»

  1. Ich kann als ehemaliger Produktionsleiter nur sagen: Unterstützen Sie alternative Angebote und kleine Einzelhändler die gleiche Sortimente anbieten.

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