Gegen das Oligopol

Seit zehn Jahren ist das neue Energiewirtschaftsgesetz in Kraft. Zunächst wurde der Strommarkt liberalisiert und seit 2004 auch die Gasversorgung. Bis 1998 waren die Versorgungsgebiete klar abgesteckt. Die Kommunen erteilten jeweils einem Unternehmen das Recht zu Aufbau und Nutzung der Infrastruktur. Die Unternehmen wiederum schlossen unter sich Demarkationsverträge ab, die untersagten, auf dem Gebiet des anderen tätig zu werden.

Das sollte sich mit dem Energiewirtschaftsgesetz ändern. Mehr Wettbewerb sollte dazu führen, dass die Preise sinken. Kurzfristig war das auch so. Mit den Gebietsmonopolen verschwanden jedoch auch viele Versorgungsunternehmen. Heute sind es im Wesentlichen nur noch vier große Unternehmen, die Gas und Strom liefern: RWE, E.ON, EnBW, Vattenfall. Viele der städtischen Versorgungsunternehmen, an die wir VerbraucherInnen zahlen müssen, sind Tochterunternehmen der vier Großen.

Der Marktanteil dieser vier Konzerne liegt bei Strom bei rund 80%. Bei der Festlegung der Energiepreise sind sie sich einig. Begründet werden Preissteigerungen regelmäßig mit angeblich gestiegenen Bezugskosten. Ob die Preise wirklich gerechtfertigt sind, ist ungewiss. Der größte deutsche Energiekonzern, E.ON, hat im letzten Jahr z.B. einen Überschuss von 5,1 Mrd. Euro erzielt, eine rund 9-prozentige Steigerung zu 2006. (1)

Zurzeit überschlagen sich die Meldungen über den Anstieg der Gaspreise. Anfang Juni wurden Preissteigerungen von bis zu 40% angesagt – und alle stöhnen. Die Medien empfehlen, Energie zu sparen. Das ist ökologisch gesehen natürlich prima – hat aber auch seine Grenzen. Eine Lösung, die vor ca. vier Jahren durch die Medienlandschaft geisterte, wird heute so gut wie gar nicht mehr erwähnt: Ein findiger Kopf kam damals auf die Idee, sich auf §315 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu berufen und deshalb die Preiserhöhungen nicht zu zahlen. Und das funktioniert heute immer noch.

In den normalerweise für Haushalte üblichen Gas- und Stromlieferverträgen wird dem Versorgungsunternehmen das Recht eingeräumt, die Preise zu bestimmen. Für solche Verträge – in denen nur ein Vertragspartner das Recht hat, den Preis festzulegen – gilt jener Paragraph des BGB. Dieser besagt, dass der andere Vertragspartner (also Du und ich) ein Recht darauf hat, dass der Preis angemessen ist. Und noch wichtiger: das muss auch nachgewiesen werden. Erst wenn ein Gericht feststellt, dass ein Preis angemessen ist, sind die Preisforderungen verbindlich und müssen gezahlt werden. Zehntausende von EnergieverbraucherInnen haben in den letzten Jahren unter Berufung auf den §315 die Angemessenheit der Energiepreise angezweifelt und zahlen seitdem nur einen Teil ihrer Energierechnungen. Ein Brief an das Versorgungsunternehmen, in dem man die Billigkeit des Preises anzweifelt, genügt dafür. Musterschreiben gibt es im Internet. (2) Wer seinem Versorgungsunternehmen eine Einzugsermächtigung erteilt hat, sollte diese außerdem zurücknehmen. Die Versorgungsunternehmen ignorieren Verbraucherrechte nämlich regelmäßig. Denn eigentlich sind die Energieversorger nach dem §315 BGB dazu verpflichtet, auf Verlangen ihre Preiskalkulation offenzulegen. Täten sie dies, müsste der geforderte Preis ohne Wenn und Aber gezahlt werden. Machen sie aber nicht…

Stattdessen versuchen sie, VerbraucherInnen mit falschen Behauptungen oder auch rechtswidrigen Sperrandrohungen einzuschüchtern. Der Dortmunder Energieversorger DEW (zu knapp 50% in RWE-Besitz) schrieb z.B. in der Ankündigung der aktuellen Gaspreiserhöhung: „Wenn Sie mit der Preisänderung nicht einverstanden sind, können Sie Ihren Liefervertrag … schriftlich außerordentlich kündigen. … Ansonsten gilt Ihre Zustimmung zur Preisänderung als gegeben.“ Keine Äußerung als Zustimmung auszulegen, ist noch nicht einmal unter Geschäftsleuten möglich. So mit Privatkunden umzuspringen, entbehrt erst recht jeder rechtlichen Grundlage.

In dem Schreiben wird außerdem suggeriert, dass man sich nicht mehr auf den §315 berufen könne, da es ja jetzt einen alternativen Gasversorger gibt, von dem man Gas beziehen könne. Auch dies ist totaler Quatsch. Aber wer weiß das schon? Und wer hat schon den Nerv, sich auf so eine Auseinandersetzung einzulassen? Bei jeder Preiserhöhung geht es schließlich nur um ein paar Euro im Monat. Und dafür den ganzen Schreibkram? Über die Jahre läppern sich die Erhöhungen jedoch. Ich zahle z.B. immer noch den Gaspreis von 2005 – und damit im Monat 14 Euro weniger als die DEW gerne hätte (ohne die jetzt anstehende Erhöhung).

Die einzige Möglichkeit für die DEW, an das Geld zu kommen, wäre, mich (oder eine andere Zahlungsverweigerin) zu verklagen. Das passiert aber nicht. Denn dann müsste die DEW ihre Preiskalkulation endlich offenlegen. Da aber nur relativ wenige VerbraucherInnen die Rechnungen kürzen, nehmen die Versorgungsunternehmen das lieber in Kauf, bevor sie das Risiko eingehen, von einem Gericht bescheinigt zu bekommen, dass sie die Verbraucher hemmungslos ausnehmen.

Anmerkungen

  1. Siehe Süddeutsche Zeitung
  2. Auf www.energieverbraucher.de gibt es ausführliche Informationen zum Widerstand gegen Energiepreiserhöhungen. Neben Musterschreiben gibt es auch einen Rechtshilfefonds und Adressen von Ortsgruppen. Außerdem helfen Verbraucherzentralen oder lokale Bündnisse wie z.B. in Dortmund (http://projekte.free.de/energie) oder Paderborn (www.gaspreise-runter-owl.de).

 

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