Geschäftsmodell: Altenpflegeheim

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DA: Du sagst, Du hast lange in der Pflege gearbeitet, jetzt arbeitest Du als Betreuer. Wie sieht Deine Arbeitstätigkeit aus?

Christian: Ich bin ja nicht examiniert, bei mir fällt die Behandlungspflege weg. Also ich verabreiche z.B. keine Medikamente, lege keine Verbände an und dergleichen. Bei mir stehen in erster Linie grundpflegerische Aufgaben an, also Inkontinenzversorgung, das Reichen von Getränken und Speisen.Und psychologische Betreuung wird natürlich stark gebraucht. Die Menschen sind ja sehr einsam, durch das Alter, aber auch durch die Kasernierung, wie wir das leider in den Seniorenheimen erleben.

Wie siehst Du die Entwicklung der letzten 25 Jahre, seit Du im Pflegebereich arbeitest? Was hat sich verändert in den konkreten, spürbaren Dingen?

Also die Bewohner, die in unsere Heime kommen, die sind heute älter und kränker, die sind tatsächlich schwerst pflegebedürftig. Du hattest vor 25 Jahren eher noch Leute, die vielleicht nach dem Verlust eines Partners in Heime kamen, um dort sozial aufgefangen zu werden. Diese Klientel gibt’s in den Heimen, die ich kenne, nicht mehr. Viele fragen auch zu Recht: Warum ist der Heimplatz so teuer und die Versorgung so schlecht? Und da sind wir eigentlich beim Angelpunkt, denn in fast allen Seniorenheimen ist Ausbeutung Geschäftsmodell. Es ist ein Berufsfeld mit katastrophalen Verhältnissen. Und die sind politisch verantwortet: Spätestens seit der Einführung der Pflegeversicherung im Bereich der Altenpflege 1996 wurde der Markt geöffnet für private Anbieter, so dass jetzt ein Großteil kommunaler Heime der Altenpflege privat betrieben wird. Eigentlich gibt es ja die vorgeschriebene Personalmindestvorhaltung. Die wird aber nicht eingehalten und auch nicht wirklich kontrolliert.

„Es ist doch schon eine gesellschaftliche Entscheidung, dass jemand, der Autos baut, bessere Arbeitsbedingungen hat, als jemand, der Menschen pflegt.“
Das heißt in der Konsequenz, dass ihr permanent unterbesetzt seid, weil bewusst Stellen eingespart werden, für die die Heimleitung aber trotzdem Geld einsackt?

Ja, wir haben es hier mit einem gesellschaftlichen Desaster zu tun. Es gibt ja Menschen, die machen trotzdem diesen Beruf aus tiefster Überzeugung. Die werden ausgenutzt und ich sage ganz bewusst: ausgebeutet. Die leiden auch psychisch darunter, dass die Pflege, die sie gelernt haben, nicht realisierbar ist durch die hohe Arbeitsbelastung. Dadurch entsteht unglaublich viel Frust. Ein hoher Anteil der Beschäftigten greift zu Alkohol und anderen Drogen, der Ausfall durch psychische Erkrankungen ist hoch. Jetzt will ich ja nicht die Branchen gegeneinander ausspielen, aber es ist doch schon eine gesellschaftliche Entscheidung, dass jemand, der Autos baut, bessere Arbeitsbedingungen hat, als jemand, der Menschen pflegt.

Ausbeutung heißt ja, es gibt auch Leute, die davon profitieren. Wie kann man sich Profitmaximierung in der Branche vorstellen?

Also nehmen wir mal ein Heim mit hundert Plätzen. Da musst du vielleicht 35 Stellen vorhalten. Du hältst dann aber nur 30 vor, sparst also fünf Stellen. Da ist jede nicht besetzte Stelle im Jahr ein sehr guter Mittelklassewagen, den du extra verdienst. Du würdest auch verdienen, wenn die Stellen besetzt wären. Aber man verdient so natürlich noch einen Mittelklassewagen und noch einen und dann sind wir schon beim Maserati und dann sind wir bei einer schönen Villa und dann gibt’s Heimbetreiber, die haben eigene Privatflugzeuge. Und ich meine jetzt nicht Marseille (Anm. d. Red.: einer der zehn größten Pflegekonzerne mit über 6000 Plätzen), sondern kleine Krauter.

Nun habt ihr aber bei Euch im Betrieb eine Betriebsgruppe der FAU. Was habt Ihr an Verbesserungen erreichen können?

Wir haben bei uns gleichzeitig FAU-Betriebsgruppe und Betriebsrat, die sich personell überschneiden und sehr gut ergänzen. Der Betriebsrat hat in Gesprächen mit der Geschäftsführung ein ganz anderes Gewicht durch die Etablierung der FAU im Betrieb. So konnten wir in Verhandlungen Vorschläge machen, die tatsächlich umgesetzt wurden. Vorschläge z.B. zur Einrichtung von Sozialräumen, zur Einführung einer effektiven Jubiläumsgratifikation – bis hin zu unserem Vorschlag, die Gehälter zu erhöhen. Dem ist man tatsächlich gefolgt und das in einem Umfang, der sich sehen lassen kann.

*Name von der Redaktion geändert.

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