Männer der Tat“ wollen sie sein. Die Regierung in Ungarn lässt keinen Zweifel daran, im Land „aufräumen“ zu wollen, so die Devise. Dabei betont sie, dass die sozialistischen Vorgängerregierungen das Land ruiniert hätten, u.a. indem sie sich dem globalen Markt unterworfen und nationale Interessen verraten hätten. Kaum eine Woche vergeht ohne Paukenschlag aus Budapest. Die Summe der Maßnahmen, die die Fidesz-geführte Regierung mit einer 2/3-Mehrheit beschließen kann, ergeben ein düsteres Gesamtbild: Tendenzen der Gleichschaltung in Justiz, Medien und Kultur werden flankiert von einer Abrechnung mit „politischen Feinden“.
Teil des Programms ist der Kampf gegen alles Randständige – so wurde Obdachlosigkeit in Budapest kriminalisiert – ebenso wie eine toleranzfreie Minderheitenpolitik; eine revisionistische Geschichtspolitik, die den Wahnwitz eines Großungarns zelebriert sowie eine aggressive Außenpolitik in Bezug auf die „Auslandsungarn“. Eingebettet ist alles in eine neue Verfassung, die das Land auf das Vaterland einschwört und starke autoritäre Züge trägt. Da hat man sich auch gleich der offiziellen Bezeichnung „Republik“ entledigt.
Die Rechtsregierung legt Wert auf eine Brise „Anti-Kapitalismus“. Nicht in dem Sinne, dass sie die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse loswerden will. Wie für faschistoide Bewegungen charakteristisch, attackiert sie die „Auswüchse“ des Kapitalismus: das internationale Finanzkapital, böse Spekulanten, vaterlandslose Unternehmer usw. – nicht selten mit offen antisemitischen Rhetoriken. So wird etwa polizeilich gegen „Wucherzinsen“ vorgegangen, indessen hantiert man gar mit Enteignungsmaßnahmen. Im von der Regierung erklärten „Kampf gegen die Banken“ geht man gar die Kraftprobe mit dem Ausland ein, und mit dem Sechs-Punkte-Plan „zum Schutz des Landes“ bereitet man die Nation auf einen „Kampf um die Souveränität“ vor.
Verbunden sind damit nicht nur Angriffe auf die Arbeiterrechte und Gewerkschaften (Lockerung des Kündigungsschutzes, gesetzliche Lohnsenkungen, Zerstörung des Rechtsschutzes, Aushebelung von Streikrechten) und Sozialabbau (Rentenkürzung, Einsparungen im Gesundheitssystem), sondern auch Maßnahmen der Zwangsarbeit, von der Langzeitarbeitslose (darunter viele Roma) betroffen sind – z.T. mit Kasernierung und Bewachung. Mit Feindbilden im Innern und im Äußeren soll das „Magyarentum“ geölt und auf Gleichschritt gebracht werden.
Diese Entwicklung könnte eine üble Dynamik entfalten. Ungarn spielt den rule breaker in der EU: die Regierung bricht mit internationalen Konventionen und versucht das Land mit autoritären Maßnahmen zu stabilisieren. Und der panische „Wunsch“ nach Stabilität, der berüchtigte Anti-Chaos-Reflex, ist nicht nur in Ungarn in breiten Teilen der Bevölkerung vorhanden. Gerade in Krisensituationen verschafft er sich gerne mal Luft. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass sich die EU-Größen immer weiter in der Krise verstricken, so dass die ökonomische Krise zunehmend auch in eine politische kippt. Wenn auf diese Weise Instabilitäten zunehmen und Machtvakuen für Alternativen verschiedener Couleur entstehen, können vermeintliche „Erfolgsmodelle“ wie in Ungarn schon mal Schule machen.
Ein Kommentar zu «Magyaren völlig meschugge»