Es ist das Thema seit Monaten: Rechtsterrorismus. Die Politik ist überraschenderweise überrascht. Es wird sich auf das NPD-Verbot eingeschossen. Zu mehr reicht es nicht. Umso deutlicher behördliche Verwicklungen mit der braunen Terrororganisation NSU zu Tage treten, umso mehr scheint auf die Nebelkerze NPD-Verbot gesetzt zu werden.
Bereits vor mehr als zehn Jahren hat der Verfassungsschutz 2000 Euro für falsche Ausweispapiere zuleiten wollen. Der Versuch, auf diesem Wege an die Identität der Neonazis zu gelangen, sei aber laut VS gescheitert, da ihr Mittelsmann das Geld schlichtweg für den eigenen Bedarf verwendet hätte. Symptomatisch für ein ganzheitliches wie dilettantisches Scheitern einer Überwachungsbehörde, deren Aufgabe, die Kontrolle der Neonaziszene durch umfassende Überwachungs- und Bespitzelungsmethoden, sich als das bewahrheitet hat, was sie immer schon war: eine Illusion. Der Verfassungsschutz als Lachnummer.
Derweil wird bewährten Mitteln „gegen rechts“ der materielle Boden unter den Füßen weggezogen. Während die Verstrickung des VS in die Machenschaften der NPD ein Parteiverbot verunmöglicht, werden weiter rigide Kürzungen bei zivilen Stellen gegen Rechtsextremismus durchgedrückt, Einrichtungen mit Gesinnungsparagraphen traktiert und Hetzkampagnen gegen linke AntifaschistInnen durchgeführt. Soziale Einrichtungen, die sich dem Kampf gegen die braune Pest verschrieben haben, sollen sich an eine „Demokratie“ anbiedern, die sie generell per „Hufeisen-Theorie“ in den gleichen Topf mit Neonazis und RassistInnen schmeißt. Und im Zweifel steht der Feind wie gewohnt links. Die Kriminalisierung von Antifaschismus ist nicht nur deutscher Alltag, sondern ebenso seit den großflächigen Ermittlungen einer frei drehenden sächsischen Justiz auf einem Massenverfolgungslevel angekommen. Die unwissenschaftliche Extremismustheorie, die sich in CDU-Landstrichen besonders bemerkbar macht, sieht AntifaschistInnen somit auf derselben Stufe wie jene Neonazis, die seit der Wende mehr als 140 Todesopfer zu verantworten haben. Faschismus und Antifaschismus sind laut Kristina Schröder ein und dasselbe – bizarr.
Ein geschichtlicher Exkurs stellt die Außergewöhnlichkeit des NSU-Terrors nicht in Frage, lässt aber eine neue Betrachtungsweise zu: Die unaufgearbeitete Geschichte der Stay-Behind-Armeen (Codename „Gladio“), die in ganz Europa unterhalten wurden, hat auch in Deutschland ihre Spuren hinterlassen. Hier sind maßgeblich überzeugte Faschisten und Neonazis rekrutiert worden. Betreut und versorgt von NATO und den jeweiligen Inlandsgeheimdiensten sind sie ein Musterbeispiel für die konspirative Kooperation von staatlichen Institutionen mit FaschistInnen. Bei der 1980 verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann deutet vieles auf Berührungspunkte mit Gladio hin. Die Verstrickung zwischen Staat, respektive Geheimdiensten und FaschistInnen ist seit jeher eine unterschätzte Realität.
Mit der wiederholten Nichtfestnahme der NSU-Mitglieder hat ein deutscher Geheimdienst nicht etwa neues Terrain betreten, sondern führte eine Tradition fort. Die Gefahr, die von mordenden Neonazis und einem Staat ausgeht, der vehement Antifaschismus kriminalisiert, ist damit nicht größer oder geringer geworden. Sie ist erschreckend gewöhnlich.