Mündliche Kündigung: Eine Fallbesprechung
Urteil: Eine mündliche Kündigung kann wirksam sein – so war es am 22.04.2013 bei T-Online zu lesen. Im Text dann: „Doch wirft ein Mitarbeiter selbst den Job hin, kann auch die mündliche Variante wirksam sein“. Noch konkreter steht es im Onlineportal Arbeitsrecht.de: „Fristlose telefonische Eigenkündigung ist wirksam“. Und spätestens hier sollte das Nachlesen und Nachdenken und losgehen, denn ganz falsch ist die Nachricht nicht aber…
In dem dargestellten Urteil ging es nicht um die mündliche Kündigung einer Beschäftigten, sondern um eine schriftliche Kündigung durch die Arbeitgeber (AG): „Mit Schreiben vom 06.04.2010 kündigten die Beklagten (die AG) das Arbeitsverhältnis fristlos sowie vorsorglich fristgerecht zum nächstmöglichen Zeitpunkt“. Weiter heißt es: „Die Beklagten haben erstinstanzlich u.a. geltend gemacht, die Klage sei – ungeachtet der Wirksamkeit der mit Schreiben vom 06.04.2010 erklärten außerordentlichen Kündigung – bereits deshalb unbegründet, weil die Klägerin selbst das Arbeitsverhältnis am 23.03.2010 fristlos gekündigt habe“. So steht es weiter in dem Urteil. Tatsächlich hatte wohl die klagende Frisörin „das Arbeitsverhältnis fristlos [gekündigt] und dies darüber hinaus mit besonderer Verbindlichkeit und Endgültigkeit“ mehrfach kundgetan.
Jetzt wird‘s spannend: Nun stellt sich nämlich die Frage, ob die vorhergehende mündliche Kündigung durch die Frisörin wirksam war oder nicht. Nur ein noch bestehendes Arbeitsverhältnis kann durch den AG gekündigt bzw. durch die Klagende eingefordert werden. Hier der originale Urteilstext:
„Die Begründetheit einer im Wege der Kündigungsschutzklage beantragten Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist, setzt voraus, dass im Zeitpunkt der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien tatsächlich bestanden hat (BAG v. 26.05.1999 – 5 AZR 664/98). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Zwischen den Parteien bestand zum Zeitpunkt der streitbefangenen außerordentlichen Kündigung kein Arbeitsverhältnis mehr. Dieses war vielmehr bereits durch eine seitens der Klägerin selbst am 23.03.2010 mündlich erklärte fristlose Kündigung mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden.“
Weiter heißt es: „Der Klägerin ist es nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich im Hinblick auf das Fehlen eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB) und die Nichteinhaltung der Schriftform (§ 623 BGB) auf die Unwirksamkeit in der eigenen Kündigung zu berufen“.
Der Rückgriff auf § 242 BGB zu „Treu und Glauben“ erfolgte, da die Frisörin fristlos kündigte und auf verschiedenste Einwände und Bemerkungen wie der Kündigungsfrist mit „das ist mir egal“ und „das ist mir scheißegal“ antwortete. Insoweit greift der Grundsatz des so genannten venire contra factum proprium (widersprüchliches Verhalten), wonach die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer eigenen Willenserklärung dann als rechtsmissbräuchlich angesehen wird, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.
Mit diesem juristischen Kniff wird ein Gesetz ausgehebelt, welches genau dazu geschaffen wurde, solche mündlichen Kündigungen, die gelegentlich in Erregung ausgesprochen werden, zu verhindern (§ 623 BGB: Schriftform der Kündigung). Das LAG beruft sich wohl auf ein Urteil des BAG aus dem Jahr 1997. Da gab es aber den Zwang zur Schriftform noch nicht.
Das besprochene Urteil ist beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (vom 08.02.2012) und dort unter dem Aktenzeichen 8 Sa 318/11 zu finden (www.mjv.rlp.de/Rechtsprechung).
Rechtsgültige Kündigung auch am letzten Tag der Probezeit
Viele Leute denken, der Arbeitgeber muss bspw. 14 Tage vor Ende der Probezeit kündigen, und die Kündigung ist erst wirksam wenn man sie in der Hand hält. Beides ist leider falsch. Tatsächlich kann auch noch am letzten Tag der Probezeit gekündigt werden und eine Kündigung gilt als zugestellt wenn sie in den „Machtbereich“ des zu Kündigenden gelangt ist.
In einem Fall des LAG Berlin-Brandenburg wurde das Kündigungsschreiben des Arbeitgebers von einem Boten am letzten Tag der Probezeit gegen 10.15 Uhr in den Briefkasten des Arbeitnehmers geworfen. Der Arbeitnehmer hatte den Briefkasten aber bereits gegen 9.30 Uhr geleert, da die Post bei ihm bisher immer sehr früh kam. An diesem Tag kam sie später. Dazu das Gericht: „Zugegangen ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung dann, wenn sie dergestalt in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass unter gewöhnlichen Umständen dessen Kenntnisnahme erwartet werden kann“.
Im schlimmsten Fall müsst ihr auch am letzten Tag der Probezeit um 24 Uhr noch mal in den Briefkasten schauen, ob Euch eine Kündigung zugegangen ist, die der Arbeitgeber mit einem Zeugen in den Briefkastenschlitz geschoben hat.
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.06.2010, 6 Sa 747/10.
Pfändungsfreigrenzen steigen zum 1. Juli 2013
Zum 1. Juli 2013 werden die Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen um 1,57 Prozent erhöht. Der unpfändbare monatliche Grundbetrag steigt somit auf 1045Euro (bisher: 1028,89Euro). Wem eine Pfändung droht, sollte sein Girokonto in ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto) umwandeln lassen. Einige Banken versuchen dann, höhere Kontoführungsgebühren zu verlangen. Wehrt Euch oder wechselt rechtzeitig die Bank.
Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein hat in seinem Urteil vom 26.06.2012 – Az. 2 U 10/11 sogar entschieden, dass auch ein kostenloses Konto als P-Konto kostenfrei bleiben muss.