Editorial

Auch in Hannover beteiligte sich die FAU an den Warnstreiks im öffentlichen Dienst, hier am 25.3.2014 auf dem Opernplatz.

Liebe LeserInnen,

während der DGB am Internationalen ArbeiterInnenkampftag seine verwaschenen Forderungen nach „guter Arbeit“ propagiert, fordern radikalere Organisationen meist etwas größenwahnsinnig die Abschaffung der Lohnarbeit und gedenken zuweilen recht pathetisch der Erkämpfung des Acht-Stunden-Tags. Obwohl sich am 1. Mai nach der Demo und dem Abbau des Infostands der Müßiggang breit macht, steht an diesem Tag doch alles im Zeichen der Arbeit. Da erschien es uns reizvoll und notwendig, einmal den Bereich der Arbeit zu thematisieren, dem der proletarische Pathos etwas abgeht. In der Care- oder Sorge-Arbeit bleibt ohnehin wenig Zeit zum Luftholen und im vermeintlich privaten Bereich können wir uns schon gar nicht von ihr frei nehmen. Übrigens stammt der Begriff „proletarisch“ vom Lateinischen „proles“, was „die Nachkommenschaft“ bedeutet. Und die will versorgt sein, um später die Alten versorgen zu können…

In dieser Ausgabe haben wir uns hauptsächlich auf die bezahlten Tätigkeiten konzentriert, die „die Nachkommenschaft betreffen“, insbesondere in den Gesundheitsberufen. Im März wurde bundesweit – in einigen Städten auch mit Beteiligung der FAU – anlässlich der Tarifverhandlungen mit dem Bund und den Kommunen für höhere Löhne, mehr Urlaub und eine Übernahmegarantie für Auszubildende in der Pflege und im sonstigen öffentlichen Dienst gestreikt. Nach nur drei Warnstreik- und vier Verhandlungstagen war der neue Tarif beschlossen. Das Ergebnis: ein Sockelbetrag von 90 Euro, im Schnitt sogar 5,7 Prozent Lohnerhöhung und ein Tag mehr Urlaub bei maximal 30 Urlaubstagen, Laufzeit zwei Jahre. Eine Übernahmegarantie soll es für Auszubildende überall dort geben, wo sie „fachgerecht“ ausgebildet wurden – was auch immer das heißt. Eine Erhöhung der Nachtdienst- und Belastungszulage in Krankenhäusern und im Nahverkehr verweigerten die ArbeitgeberInnen jedoch. Insgesamt ist das nicht schlecht, aber auch nicht richtig gut.

In Niedersachsen nahmen am zweiten Streiktag an der zentralen Kundgebung in Hannover immerhin 20.000 Beschäftigte teil. ErzieherInnen, SozialarbeiterInnen, Reinigungskräfte und KrankenpflegerInnen verschafften sich Luft. Im Hinblick auf die chronische Unterbesetzung in ihren Branchen forderten sie nicht nur Neueinstellungen, sondern auch eine größere Wertschätzung ihrer Arbeit. Offen bleibt, wie viel Kampfgeist in die Betriebe mit zurückgenommen wird. Denn die Privatisierung im öffentlichen Dienst, die Auslagerung von Aufgaben an externe ArbeitgeberInnen und die Beschleunigung und zunehmende Erweiterung der Aufgabenfelder sind noch längst nicht weggestreikt.

Danken möchten wir dem Bekleidungssyndikat Hannover, Black Mosquito, DirAction, Grandioso-Versand, Kaffeekollektiv Aroma Zapatista, Roots of Compassion, Schwarze Socke Mailorder, Syndikat-A Medienvertrieb und Fire and Flames, die diese Ausgabe der Direkten Aktion verbreiten helfen. Die nächste Ausgabe setzt diesen Schwerpunkt mit dem Thema „Erziehung und Staat“ fort.

Viel Spaß beim Lesen wünscht

Eure Redaktion „Betrieb und Gesellschaft“

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