Die berühmte Hymne der CNT findet sich in einer gerade erschienenen umfangreichen Zusammenstellung von Liedern zum Spanienkrieg – vor allem aber Titel, die in den Schützengräben und der Etappe der Internationalen Brigaden gesungen wurden.
Auf sieben CDs sind 127 Einzeltitel zusammengefasst, zusätzlich gibt es eine DVD mit dem israelischen Dokumentarfilm „Madrid before Hanita“ von 2006 über jüdische Freiwillige, InterbrigadistInnen, die aus dem damaligen britischen Mandatsgebiet Palästina nach Spanien gingen, um den Faschismus zu bekämpfen – an der Seite der spanischen Republik gegen Hitler und Mussolini. Als am 17. Juli 1936 unter der Führung von General Franco die spanische Armee gegen die Volksfrontregierung putschte, war sie mit einer in dieser Entschlossenheit und Militanz unerwarteten Gegenwehr konfrontiert: Bereits einen Tag nach Beginn des Putsches riefen die sozialistischen und anarchosyndikalistischen Gewerkschaftsorganisationen, UGT und CNT, zum Generalstreik auf, was auf große Resonanz in den Betrieben stieß. Spontan wurden von CNT, UGT und linken Parteien Volksmilizen initiiert. Ein radikales Aufbegehren war auf den Straßen spürbar, insbesondere die große CNT und die kleine linkskommunistische Partei POUM setzten sich dafür ein, die Abwehr des Putsches mit der sozialen Revolution zu verbinden. In ihren Milizen kämpften Frauen und Männer gemeinsam, agitierten an den Frontabschnitten und in der Produktion für Enteignung, Vergesellschaftung und ArbeiterInnenkontrolle. Linke aus vielen Ländern kamen nach Spanien und kämpften mit. Auf Initiative der Komintern entstanden die hauptsächlich von KP-Mitgliedern aus ganz Europa getragenen und dominierten Internationalen Brigaden. Überall wurde organisiert, kollektiviert, diskutiert, sozialisiert – oder zur Ordnung gerufen: Das breite Volksfrontbündnis bis hin zu liberalen, bürgerlichen Parteien sei gefährdet, wenn sozialrevolutionäre Forderungen umgesetzt werden würden. So argumentierte die PCE, die KP Spaniens. Zu Beginn des Putsches relativ klein und bei weitem nicht so einflussreich wie die CNT, wurde sie rasch die Partei der Ordnung, der Disziplin: Keine Experimente! Die Argumentation der KP wurde auch deshalb von vielen geteilt, weil die Putschisten rasch massive militärische Unterstützung von Deutschland und Italien erhielten. Nicht nur in Form von Waffenlieferungen, sondern auch mit Armeeeinheiten wie der deutschen „Legion Condor“, deren Luftwaffe die spanische Republik kaum etwas entgegensetzen konnte. Aus diesem Grunde ist es passender, vom (internationalen) Spanienkrieg als von einem Bürgerkrieg zu sprechen – zumal die Unterstützung der putschenden Armee durch die faschistischen Staaten bei gleichzeitiger Nichteinmischung der europäischen Demokratien auf Seiten der Republik kriegsentscheidend war. Die Appeasement-Politik von Britannien und Frankreich gegenüber Hitler war für die spanische Republik eine Katastrophe. Nur Mexiko und die Sowjetunion unterstützten die Republik – die Sowjetunion unter Stalin nutzte ihre Monopolstellung bei den Waffenlieferungen für eine massive Einflussnahme in Spanien im Sinne ihrer Volksfrontstrategie und gegen die sozialrevolutionäre Linke, insbesondere gegen die POUM. Die PCE, KP Spaniens, diffamierte die POUM als „fünfte Kolonne“ Francos, als „faschistische AgentInnen“. Am 3. Mai 1937 begannen in Barcelona mehrtägige Kämpfe der von der KP kontrollierten Polizei gegen von POUM- und CNT-Milizen verwaltete Einrichtungen. Über 500 Menschen starben. Die PCE behauptete, es sei ein „faschistischer Putsch der trotzkistischen POUM“ gewesen. In Razzien wurden viele Mitglieder der POUM verhaftet, unter Mittäterschaft des sowjetischen Geheimdienstes gefoltert, erschossen oder inhaftiert – etwa der Vorsitzende der POUM, Andreu Nin, von dem die KP nach dessen heimlicher Ermordung behauptete, er sei entweder „nach Salamanca“ (zu Franco) oder „nach Berlin“ (zu Hitler) geflohen. An der Ermordung von Andreu Nin waren mehreren Berichten und Notizen im KGB-Archiv zufolge zehn deutsche InterbrigadistInnen beteiligt. Auch dies gehört zur Geschichte der Interbrigaden – ebenso wie die Existenz eines „Spezialdienstes“ innerhalb der Interbrigaden, der unter dem Kommando des sowjetischen Geheimdienstes stand. JedeR zehnte deutsche InterbrigadistIn hatte in seiner / ihrer Kaderakte einen Disziplinierungsvermerk – wegen Disziplinlosigkeit oder wegen politischer Abweichung: Wer die Kriminalisierung und Diffamierung der CNT und der POUM kritisierte, musste mit Sanktionen rechnen. Auch dies gehört, neben dem Einsatz gegen den franquistischen Putsch, zur Geschichte der Interbrigaden. Und sollte nicht verschwiegen werden. Die Auseinandersetzung zwischen einer sozialrevolutionären, radikalen und einer antifaschistischen, reformistischen Linken zieht bis heute Linke, die sich in diesen beiden Traditionslinien sehen, in den Bann – die einen, weil sozialrevolut
ionäre und linkskommunistische Ansätze hier von einer großen Bewegung getragen wurden und im Alltag umgesetzt werden konnten, die anderen, weil das von der Komintern 1935 beschlossene Volksfrontkonzept von einem großen Regierungsbündnis mitgetragen und die KP für ihren nichtrevolutionären Antifaschismus breit akzeptiert wurde. Das spiegelte sich auch in der Propaganda der spanischen Republik. Wie der Musikhistoriker Marco Antonio de la Ossa Martínez in seinem Buch „La música en la Guerra Civil Española“ von 2009 anschaulich darstellt, erlebte die Musikproduktion in den drei Jahren des Spanienkrieges einen Aufschwung: Nahezu alle zuvor bekannten und populären Komponierenden wie Auftretenden aller damaligen Stilrichtungen beteiligen sich an der musikalischen Agitation. Und nahezu alle Einheiten der rasch aufgebauten Volksarmee verfügten über eine Musikgruppe. Wo in den selbstorganisierten, nichthierarchischen Volksmilizen eher die Lieder der ArbeiterInnenbewegung gesungen wurden, wurde für die sie verdrängenden, weil scheinbar effektiveren Volksarmeeeinheiten eine nahezu unüberschaubare Vielfalt von Militärmärschen, Hymnen und Kampfliedern produziert. Neben denen es aber immer auch melancholische Lieder des Trauerns, der Entsagung, der Niederlagen gab.
Der Berliner Musik- und Literaturhistoriker Dr. Jürgen Schebara hat für die Box „Spanien im Herzen – Lieder des Spanischen Bürgerkrieges“ eine Auswahl aus dem ganzen Spektrum getroffen, das während der drei Jahre gesungen und gespielt wurde. Er hatte für das gleiche Label – Bear Family – 2010 bereits die noch umfangreichere Sammlung „Dass nichts bleibt, wie es war! 150 Jahre Arbeiter- und Freiheitslieder“ herausgegeben. So hat er ebenso wie das Label Erfahrung mit dem Auffinden und dem Aufbereiten historischer Aufnahmen durch digitales Remastering. Das macht sich beim Hören angenehm bemerkbar – es rauscht nicht, die Stimmen klingen lebendig, selbst unmittelbar im Spanienkrieg entstandene Schellackaufnahmen wirken nicht blechern.
Zusätzlich zu den Aufnahmen enthält die Box ein 315-seitiges Begleitbuch im LP-Format. Sämtliche Liedertexte sind abgedruckt, mit zusätzlichen Informationen zur Aufnahme und den InterpretInnen. Daneben stehen Fotos oder Faksimiles von Plakaten aus der Zeit, öfter auch ein Text zum politischen Hintergrund oder der Geschichte des Liedes. Eine CD hören, dabei die Texte mitlesen – bis auf Ausnahmen sind alle auf Spanisch, Englisch und Deutsch abgedruckt – und sich hineinversetzen in die Lieder, eintauchen. Nicht für nebenbei, sondern für konzentriertes Lauschen – zumal die historischen Arrangements teilweise doch sehr ungewöhnlich für heutige Hörgewohnheiten sind. Jeder CD ist darüber hinaus ein Auszug aus einem zeitgenössischen Roman, einer Reportage beigestellt: Von Ernest Hemingway, Willi Bredel, Ilja Ehrenburg, Arthur Koestler, Erich Weinert, Ludwig Renn und Alfred Kantorowicz. Außerdem gibt es eine Chronik, um sich in den Ereignissen zu orientieren. Dabei kreisen sowohl die Liederauswahl als auch die Texte zur Geschichte vor allem um die Interbrigaden, deren Lieder drei der sieben CDs füllen. Viele der Aufnahmen hat Ernst Busch eingesungen, der bei den Interbrigaden selbst gesungen hat – und später in der DDR mit seinen Schallplatten und Konzerten die Töne zum Spanienkrieg geliefert hat. Ernst Busch hat die Erinnerung stark geprägt, und obgleich er leise und traurig singen kann – wenn es um gefallene Kämpfer und Niederlagen geht – so sind doch seine Aufnahmen gerade aus der DDR von einem Pathos getragen, das surreal wirkt, geschichtsklitternd: Die Niederlage ist bei ihm – ein Durchhalten. Geschmetterte Heroisierung, hohl, wenn er „Halt stand. Rotes Madrid!“ schmettert. Wie anders singt Busch die „Moorsoldaten“, das von zwei kommunistischen Häftlingen im ostfriesischen KZ Börgermoor geschriebene Lied. Zuversichtlich, aber verhalten. Ernst Busch ist mit zu vielen Liedern vertreten – schade, weil im deutschen Sprachraum CDs von ihm schon vorher zugänglich waren. Und weil viele wichtige Lieder aus den letzten Jahrzehnten aus Spanien, in denen es um den Spanienkrieg geht, auf den CDs fehlen: Seien es etwa die „Lekeitioak“ von Mikel Laboa, in denen der Liedermacher die traumatischen Erfahrungen der von ihm erlebten Bombardierung im Baskenland durch die deutsche „Legion Condor“ eindrücklich besingt. Oder „Campanades a morts“, eines der bekanntesten (und schwer erträglichen) Lieder von Lluís Llach, in dem es um ein Massaker der Polizei an Streikenden am 3. März 1976 geht, in der Endphase der auf die Niederlage im Spanienkrieg folgenden Diktatur von Generalissimo Franco. Die Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen linken Strömungen kommt nur partiell vor – etwa bei dem von Ernst Busch gesungenen, schwer heroisierenden Stück „Hans Beimler“. Beimler war Kommissar einer Interbrigade, im Lied heißt es, er sei im Kampf „durch ein deutsches Schießgewehr“ gefallen. Im Begleittext heißt es nun aber, Beimler sei vermutlich vom damals in Spanien sehr aktiven sowjetischen Geheimdienst GPU ermordet worden – wegen seiner Kritik an der Verfolgung und Kriminalisierung der linkskommunistischen POUM seitens der AnhängerInnen Stalins in Spanien. Einmal mehr lohnt es sich hier, das Hören der Lieder mit der aufmerksamen Lektüre des Begleitbuches zu verbinden. Dann fällt auch der inflationäre Gebrauch von Begriffen wie Nation, Volk und Heimat auf. Während es in den wenigen (drei) Liedern der CNT um Klassenkampf geht, wird in anderen Liedern ein klassenübergreifendes gemeinsames Interesse als Volk beschworen, und die ArbeiterInnen werden zu mehr Einsatz in der Produktion aufgefordert: Schneller arbeiten gegen Franco. Dass in den nichtkollektivierten Fabriken auch mit der Produktion für die Republik Profit gemacht wurde, erscheint so in der Volksfrontpropaganda zweitrangig. Leider gar nicht kritisch kommentiert ist ein Plakat, auf dem es heißt: Ein Vago, Langsamarbeiter oder Rumtreiber, ist ein Faschist. Antifaschismus zur Disziplinierung der Arbeitenden.
Various Artists:España en el corazón – Spain in my heart – Spanien in meinem Herzen. 7-CD/1-DVDBox (LP-Format) mit dreisprachigem Buch (316 Seiten, gebunden), 127 Einzeltitel. Gesamtspieldauer ca. 326 Minuten. Erhältlich für 173,09 Euro zuzüglich Versandkosten beim Label Bear Family.