Was ist Arbeit?

Im Kapitalismus gibt es die so genannte direkte Lohnarbeit: du arbeitest und bekommst dafür Geld, mit dem du Güter und Dienste kaufen kannst, um dein Leben zu erhalten. Es gibt außerdem indirekte Lohnarbeit, freiwillige unbezahlte Arbeit (Ehrenamt) und unfreiwillige unbezahlte Arbeit (Sklaverei). Indirekte Lohnarbeit ist u. a. Ausbildung, Studium, Erwerbslosigkeit, Selbstständigkeit und die Arbeit im eigenen Haushalt und Familie.

Arbeiten wie kochen, waschen, putzen, Kinderpflege, Altenpflege, aber auch emotionale Arbeit und Sex, die zu Hause verrichtet werden, damit alle Familienmitglieder glücklich sind, nennt man Reproduktionsarbeit oder Care-Arbeit.

Es geht nicht nur darum, Kinder zu machen und groß zu ziehen, um Nachwuchs für die Arbeiterklasse zu „reproduzieren“. Sondern auch darum, dich nach der Erschöpfung in der Lohnarbeit zu erholen und dich gesund zu halten, damit du immer wieder fit für die Lohnarbeit bist. Also deine eigene Arbeitskraft zu „reproduzieren“. Auch eine alleinstehende Person macht Care-Arbeit – für sich selbst.

Die Ausbeutungssysteme des Kapitalismus und des Patriarchats sind miteinander verflochten. Sie teilen den Frauen die Verrichtung dieser unbezahlten Care-Arbeit zu, neben der Lohnarbeit. Die meisten Frauen der Arbeiterklasse sind schon immer auch lohnarbeiten gegangen, oft sogar in einem höheren Grad als die Männer in ihren Familien. Denn nur wenige Frauen können vor der Verantwortung für das Überleben ihrer Kinder flüchten, und sind gezwungen, niedrigen Lohn und schlechte Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen, um zumindest irgendein Einkommen zu haben.

Zwei Drittel der gesamten Arbeitsstunden der Welt sind heute unbezahlte Aktivitäten in der Care-Arbeit, die fast nur von Frauen geleistet werden. In industrialisierten Ländern verbringen Vollzeit arbeitende Frauen durchschnittlich 23 Stunden pro Woche mit unbezahlter Hausarbeit, und 6 bis 12 Stunden mit unbezahlter Kinderpflege – das letztere ist 2 bis 4 mal mehr Zeit, als Männer damit verbringen.

Care-Arbeit gibt es natürlich auch als bezahlte Lohnarbeit. Die Care-Arbeit wird im Kapitalismus genau wie andere Arten von Arbeit käuflich gemacht. Auch in der käuflichen Care-Arbeit sind überwiegend Frauen beschäftigt. In Deutschland bestand 2010 die Berufsgruppe „Kindergärtnerinnen, Kinderpflegerinnen und Erzieherinnen“ zu 96 % aus Frauen, bei Putzkräften waren es 88 %, bei Krankenpflegerinnen und Hebammen 86 % und bei Sozialarbeiterinnen 80 %.

Care-Arbeit wird heute auch international weiterverteilt. Frauen, die es sich leisten können, kaufen die Arbeit von Babysitterinnen, Nannies, Putzfrauen und Pflegerinnen. Meist sind das arme, migrantische, illegalisierte Frauen, die von den Stellen abhängig sind und sich schwer gegen Übergriffe und schlechte Arbeitsbedingungen wehren können.

Diese Frauen haben natürlich oft eigene Familien. Jemand anders muss sich um sie kümmern, während die Mutter arbeitet: Großmütter, die älteren Kinder oder – wenn sie es sich leisten können – eine andere migrantische Frau. Eine Frau in Deutschland bezahlt z. B. eine Frau aus Polen für die Pflege ihrer Eltern, und die Frau aus Polen bezahlt eine Frau aus der Ukraine für die Pflege ihrer eigenen Eltern.

Frauen verrichten also den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit und stellen den größten Anteil der Beschäftigten in der bezahlten Care-Arbeit, also in der allgemein am schlechtesten bezahlten Arbeit. Wenn Care-Arbeit unbezahlt oder schlecht bezahlt ist, erlaubt das große Ersparnisse in der Wirtschaft. In den Sparmaßnahmen und Privatisierungen im Zuge der Wirtschaftskrisen und nach der „Wende“ wird gerade die einst öffentliche Kinderpflege, Altenpflege usw. auf die private Sphäre abgewälzt, wo man sich entweder private Dienstleistungen kaufen kann oder selbst klar kommen muss.

So entsteht ein Wirtschaftssystem, das nicht auf menschliche Bedürfnisse ausgerichtet ist. Die Care-Arbeit ist jedoch für unser Leben grundlegend. Die Gewerkschaften der Zukunft müssen alle Formen der Arbeit in ihre Perspektive mit einbeziehen, um anstelle des Kapitalismus ein anderes, solidarisches System aufzubauen.

 

Der Artikel stammt aus der Zeitung zum 8. März, die von der fem*fau, einer feministischen AG in der FAU, herausgegeben wurde. Die Zeitung ist kostenlos erhältlich bei den lokalen FAU-Gewerkschaften und online hier.

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