Streikwelle, hört sich gut an, ist aber, wie so mancher Wellenkamm, schwer zu reiten. Seit Monaten schon ziehen sich die Aktionen im Einzelhandel hin (siehe „Arbeitnehmer im Sonderangebot“), und besonders hart geht es in der Hauptstadt zu, auch in anderen Branchen.
Seit Wochen ruft eine Tarifgemeinschaft Öffentlicher Dienst (ver.di, GEW, IG BAU, GdP) zum Arbeitskampf auf. Die Gewerkschaften fordern für ca. 50.000 Landesbeschäftigte 2,9% mehr Gehalt bzw. 5,9% mehr Lohn sowie dreimal je 300 Euro. Damit steigen sie so bescheiden in den Ring, dass nicht einmal Hoffnung auf Inflationsausgleich besteht. Ver.di sitzt wohl noch das BVG-Debakel im Genick (DA berichtete): Ausgehend von zweistelligen Lohnforderungen bei einer Laufzeit von zwölf Monaten, hatte man sich auf 4,6% und 24 Monate drücken lassen, aus mindestens 250 Euro mehr wurden höchstens 100.
Anders als bei der BVG wurde der Auftakt der Auseinandersetzung im ÖD Anfang Mai in der Öffentlichkeit zunächst kaum wahrgenommen. Erst der Aufruf zu einem „Arbeiteraufstand“ am 17. Juni, in Anlehnung an die Arbeiteraktionen in der DDR im Jahre 1953, brachte die Gewerkschaft auf die Titelseiten. Eine Meisterleistung in Sachen Öffentlichkeitsarbeit – wenn der Fakt der Schlagzeile genügt. Nicht nur in der Presse stieß ver.di-Verhandlungsführerin Westhoff damit auf Unverständnis; auch im Gewerkschaftsapparat distanzierte man sich.
Das Schlimmste aber ist, dass sich der vollmundige Aufruf einmal mehr als PR-Blase entpuppte: Nur 1.000 Gewerkschaftsmitglieder – also gerade mal 2% der betroffenen Beschäftigten – versammelten sich am Morgen des 17. Juni, und das nicht zum Aufstand, sondern zu Demo und Frühstück. Verheißungsvoller als der Westhoffsche „Arbeiteraufstand“ war mithin die zeitgleiche Ankündigung einer „zweiten und dritten Streikphase“ durch ver.di-Bezirksleiterin Stumpenhusen.
Auch das ein Bluff, oder zumindest gescheitert: Ende Mai streikten 7.000 Beschäftigte, Mitte Juni waren es weniger als halb so viele. Die „moderate“ Taktik ausschließlich punktueller Streiks wird beibehalten. Dabei scheinen weniger wirtschaftliche Nervenknoten im Blickfeld, Bußgeldstellen z.B., als vielmehr prestigeträchtige Stellen, etwa in Kindergärten. Am 1. Juli sollen endlich alle Beschäftigten Berlins ganztägig die Arbeit niederlegen; im Aufruf selbst heißt es jedoch, der Streiktag ende „ca. 13 Uhr“.
So kann es nur an der Sorge ums Image gelegen haben, dass am 20. Juni, nach sieben Wochen offizielle Verhandlungen aufgenommen wurden. Bis dahin hatte sich der Rotrote Senat eisern gezeigt, SPD-Innensenator Körting bot lediglich zwei Einmalzahlungen à 225 Euro – auf ein Jahr berechnet wären das 6,5 Cent mehr pro Stunde. Das neue Angebot sieht nun einmalig 300 Euro vor und eine Lohnsteigerung um 50 Euro – ab Mitte 2009. Die Tarifgemeinschaft hat hier mit ihrem eigenen Werk zu kämpfen: 2003 hatte sie einen „Solidarpakt“ unterzeichnet, der die Löhne bis Ende 2009 nicht nur einfror, sondern durch Arbeitszeitverkürzung sogar um 8% senkte – weniger Arbeit aber ist nicht drin, vielfach werden Überstunden geschoben. Damit verdient man im ÖD Berlin deutlich weniger als der Rest der Republik. Eine weitere selbstgeschusterte Einschränkung sind die Haustarifverträge bei Stadtreinigung und Krankenhäusern. Eine weitere Niederlage einer der größten deutschen Gewerkschaften zeichnet sich also ab.