Weltmeister wie wir

Markus Liske, Kolumnist, Satiriker und Erzähler beim „Singenden Tresen“, hat die dritte Sammlung seiner Kolumnen und Gedichte veröffentlicht. Sie ist beim Verlag Edition AV erschienen und kostet ca. 15 Euro. ISBN 978-3-86841-008-2

Was passiert mit einem kritischen Verstand, der im Rhythmus der Nachrichtensendungen tickt, der täglich drei bis vier Zeitungen konsumiert und dazu noch mehrere Wochenzeitungen und Magazine? Das Ganze eingebettet in ein Leben zwischen Hartz IV und prekären Arbeitsverhältnissen? Ein Selbstversuch ist zum Glück nicht nötig, um das herauszufinden: Es wird in Markus Liskes neuem Band „Weltmeister wie wir“ genau beschrieben.

Wie schon in den ersten beiden Büchern hat Liske hier die Kolumnen und andere kurze Texte zusammengestellt, die er in den letzten Jahren für die DA, Titanic, den „Singenden Tresen“ und andere schrieb. Neu ist, dass die Texte sich diesmal an Leser in einer fernen Zukunft richten. Daher hat Liske seine Kolumnen mit Fußnoten ergänzt, in denen Namen und Begriffe erläutert werden, die uns heute geläufig sind, bald aber vergessen sein werden, beispielsweise: „’Globalisierung’ – Wirtschaftsprozess zu Beginn des 21. Jahrhunderts, bei dem die menschliche Arbeitskraft kontinuierlich billiger, alle Waren kontinuierlich teurer wurden. Ziel der Globalisierung war es, sogenannten Global Players Geld für lustige Glücksspiele zur Verfügung zu stellen.“

Liske behandelt jedoch nicht nur weltbewegende Themen. Er schreibt auch über DHL-Packstationen, die Diddl-Maus, Linksradikale, das Landleben und Alpträume mit Wolfgang Schäuble. Das ist meistens lustig und immer krass. Geschont wird dabei niemand, auch Liske selbst nicht. Nur über Conny, die literarische Entsprechung zu Liskes Lebensgefährtin Manja Präkels, fällt kein böses Wort.

Liske hilft dem Gedächtnis auf die Sprünge. In seinen Geschichten stecken so präzise Beobachtungen, dass sich frisch verdrängte Stimmungen und Medienevents erbarmungslos plastisch wieder ins Bewusstsein wuchten. Der lakonische Tonfall und die überraschenden Schlussfolgerungen versöhnen zwar nicht mit der ganzen Verarsche, die unser Leben dominiert, aber sie reizen zum Lachen, und das tut gut.

Auch dieses Buch wartet wie gewohnt mit drastischen Vergleichen auf; dabei geht Liske so nah wie möglich an die Grenze des guten Geschmacks und schreibt stilsicher an ihr entlang. Immerhin hat er diesmal das erste Mal, seit ich Liske lese, an einer Stelle diese Grenze übertreten: Dass Betreiber von Wasserpfeifencafés durch die Rauchergesetze faktisch Berufsverbot haben, ist nicht, wie Liske schreibt, der größte Eingriff in die Gewerbefreiheit seit der Arisierung. Viel schlimmer ist doch wohl das generelle Gewerbeverbot, dem viele Immigranten unterliegen. Außerdem: Nazivergleiche! Was Liske da wohl geritten hat?

Ansonsten ist das Buch durchgängig in beneidenswert gutem Stil geschrieben. Das macht auch die etwas schwächeren Geschichten zum Lesevergnügen, z.B. die von dem gescheiterten WM-Maskottchen Goleo auf der Suche nach dem Glück.

Wer nicht genug bekommen kann, darf jetzt auch der „Heiligen Liskistischen Kirche der letzten Tage des Neoliberalismus“ beitreten. Deren 10 Gebote würden tatsächlich die Welt zu einem angenehmeren Ort machen. Auszüge:

1. Du sollst keine Steuern zahlen, denn Steuern sind des Teufels.

5. Du sollst nicht begehren Deines Nächsten Weib, es sei denn, es begehrt Dich auch. Dann ist das Pech für den Nächsten.

9. Du brauchst gar nicht zu arbeiten, wenn Dir ein besserer Zeitvertreib einfällt.

10. Halte Dich fern von Männern, die mit komischen Hüten, komischen Bärten oder in Kleidern daherkommen, denn sie huldigen falschen Göttern und hassen die Menschen.

Für alle Freundinnen und Freunde gesellschaftskritischen Humors der härteren Gangart ist „Weltmeister wie wir“ die passende Winterlektüre – mit Liske macht das Resümieren der jüngeren Vergangenheit Spaß.

Martin Hauptmann

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