Freie Selbstorganisation – das ist etwas, was AnarchistInnen öfter einfordern als wirklich erbringen. Der Grund dafür ist offensichtlich: sich tolle Projekte zu ersinnen ist um vieles leichter, als eines von vorne bis hinten durchzusetzen. Mangelnde Selbstdisziplin, Unerfahrenheit, zu wenig Bereitschaft zur Zusammenarbeit, Prokrastination und die Angst, dass das Ganze letztlich eh nicht hinhaut, bilden ein Cluster an Ursachen, warum AktivistInnen ständig an ihren Vorhaben scheitern.
In Leipzig gibt es den Libertären Laden Leipzig, kurz: Libelle. Hier treffen sich Menschen, um Utopien umzusetzen und realistisch erfahrbar zu machen. Die Libelle ist selbst organisiert. Ihr Leitsatz: Ohne euch kein Laden, kein Laden ohne euch.
Mit diesem Leitspruch im Kopf und Herzen haben sich vier Menschen also daran gemacht, das Geburtstagsfest zu organisieren. Denn: Die Libelle wird dieses Jahr zehn Jahre alt! Durch interne Komplikationen hatten diese vier Menschen nur sechs Wochen Zeit. Doch das Ergebnis hat auch sie selbst zum Staunen gebracht.
Selbstorganisation. Ein Wort, das oft auch Freiheit assoziiert. Doch die Freiheit fordert notwendigerweise Konsequenz, Verantwortung und Struktur. Das sehen wir persönlich mal wieder bestätigt. Denn was haben wir nicht alles auf die Beine gestellt?
Unterstützung von außen
Da wären die Freunde der Libelle. Sie mögen den Laden und freuen sich mit ihm, dass er nun schon zehn Jahre das Leipziger Zentrum bereichert. So machten diese Geschenke – in Form von Aktionen und Direktkrediten, um das Fest vorerst finanzieren zu können und aktiver Unterstützung bei einzelnen Vorbereitungen. So kam es, dass mensch auf dem Fest Papierschöpfen ausprobieren, auf eine politische Schnitzeljagd gehen und an einem Kickerturnier teilnehmen konnte.
Befreundete Nachbarläden haben sich gefreut und einen Freisitz für diesen Tag organisiert sowie Kuchen verkauft und eine Straßenmusikerin eingeladen, die leider unverstärkt im großen Geburtstagstrubel spielen musste, dafür aber ein feines, hocherfreutes Publikum hatte.
Außerdem gibt es dann noch die Freunde der Freunde – durch die wir enorme Unterstützung für die Bühne erfahren haben. Immerhin haben drei Bands gespielt. Wir hatten einen ganz tollen Techniker, der sich für uns Zeit genommen hat. Die gesamte Technik, die Bühnenpodeste und das Festzelt wurden uns auf Freundschaftsbasis geborgt. Auch zu den Libelle-FreundInnen muss die Kommunikation funktionieren. Ansonsten heißt es „Killing Your Darlings“, denn die Ideen sind alle sehr schön und jedeR wünscht sich, sie zu realisieren. Doch sind der Wünsche mehr als Taten. Wir mussten leider auf einen sehr großen Pool verzichten und mit einem Kinderplanschbecken Vorlieb nehmen. Das war zwar sehr schade, doch das Orga-Team war so ausgelastet, dass es schwer war, uns noch um die Durchführung einzelner Ideen zu kümmern.
Kommunikation ist das A und O
Wir hatten die Idee, das Fest der Libelle dafür zu nutzen, die den Laden nutzenden Gruppen zusammen zu bringen und miteinzubeziehen. Neben einem Infostand waren sie eingeladen, etwas zu der Vielfalt des Festes beizutragen. Diese Idee war das Herz des Festes. Denn was ist ein Straßenfest ohne Kuchen, Getränke und mehr? Auch die Vorstellung, ein Fest für die Libelle auszurichten, ohne Menschen, die diese benutzen, war für uns komisch. Warum sollte jemand anders als wir dieses Fest gestalten? Doch waren da einige Schwierigkeiten. Wir hatten kaum Kontakte – mussten also zu deren Plena gehen und unser Anliegen vorbringen, wo wir meist vorerst auf Ablehnung stießen. Die Begründung war einfach: Keine Kapazitäten. Wie mensch das kennt, jedeR hat viel zu tun. Es geht ja nicht nur um Präsenz, sondern auch um Vorbereitung der Stände. Manchmal erscheint das „unpolitische“ Straßenfest vielleicht auch nicht wichtig oder unterstützenswert für eine politische Gruppe.
Für uns war das ein ganz schöner Rückschlag. Wir haben an der Machbarkeit, aber auch am Sinn des Festes gezweifelt. Wenn kaum eine Gruppe unterstützen möchte, warum sollen wir den Stress auf uns nehmen? Wir wussten doch, dass es schon eine große Herausforderung ist, die Organisation hauptsächlich nur zu viert zu stemmen. Doch die Durchführung? Niemals!
Und dann kamen nacheinander die Zusagen der einzelnen Gruppen. Wir haben uns sehr gefreut. Vom obligatorischen Kuchenstand über Flohmarktecke hin zur Volxküche am Abend und weiteren Ständen hatten wir ein kleines, aber buntes Angebot.
Wir können euch nur raten: Sorgt für eine präzise, angenehme Kommunikation! Macht AnsprechpartnerInnen aus. Begeistert die Leute, die ihr um Hilfe bittet! Damit sie verstehen, wie wichtig ihre Unterstützung ist. Ihr erspart euch damit sehr viel Stress, Zeit und Panik, das Fest nicht stemmen zu können. Außerdem macht eure Arbeit transparent, damit sich niemand benachteiligt oder übergangen fühlt! Und scheut keine Auseinandersetzungen. Sagt, was euch wichtig ist an einem Fest, ob Essen vegan sein soll oder euch Deko wichtig ist. Nur so kann darüber gesprochen und diskutiert werden. Und natürlich: Fangt früh genug an!
Wir von der Orga sind uns soweit einig: Wir würden es alle noch mal machen, aber diesmal ganz anders! Mit mehr Transparenz, Kommunikation und ansteckender Motivation. Es war ein sehr schönes Fest. Die Durchführung machte sehr viel Spaß und die Dankbarkeit war groß.
„Sei selbst die Veränderung, die du dir für diese Welt wünschst“ – wir haben es versucht, teilweise vielleicht sogar geschafft.