Die Krise an der Hochschule

Die Entwicklungen des
Kapitalismus seit den 1970er Jahren und dessen Krise, die sich in den letzten
fünf Jahren immer offener zeigt, haben auch auf das Bildungssystem und die
Situation an den Hochschulen spürbare Auswirkungen.

Nicht dass Bildung in
den vermeintlich goldenen Jahren des Fordismus der Entfaltung der
Persönlichkeit gedient hätte, doch fand in den 1960er Jahren eine Öffnung der
Universitäten für breitere Teile der Gesellschaft statt. Das hatte vor allem
damit zu tun, dass der Produktionsprozess technisch komplizierter wurde und
eines höheren Anteils an geistiger Arbeit bedurfte, für die Menschen an den
Hochschulen ausgebildet werden mussten.

Grundsätzlich
übernehmen die Bildungsinstitutionen als Funktionsträger des kapitalistischen
Staates eine ganze Reihe von Funktionen: Von der Erzeugung qualifizierter
Arbeitskräfte für die Privatwirtschaft und den Staatsdienst bis zur Entwicklung
von Hochtechnologien und Innovationen durch Grundlagenforschung sind sie in die
Reproduktion der Klassenverhältnisse eingebunden und in nicht unbedeutendem
Maße mit der die Vermittlung entsprechender Ideologien betraut. Die konkreten
Bedingungen, unter denen die Hochschulen all das erfüllen (sollen), haben sich
in den letzten Jahrzehnten angesichts einer krisenhaften kapitalistischen
Dynamik stark verändert.

Neoliberaler Angriff

Es sind die üblichen
neoliberalen Angriffe auf die Lohnabhängigen, wie Privatisierungen und die
Steuerung aller gesellschaftlichen Bereiche durch Marktmechanismen, die sich
spätestens seit der Bologna-Reform im Jahre 1999 auch im Bildungsbereich
zeigen.

Insgesamt nähern sich
die Hochschulen seitdem unter dem Schlagwort der Autonomie dem Vorbild
durchrationalisierter kapitalistischer Unternehmen an. Dies zeigt sich mustergültig
am ständigen Kampf der Hochschulen um die Einwerbung von Drittmitteln oder
Exzellenzclustern. Fachbereiche oder Forschungsprojekte, die sich nicht mehr
„lohnen“, werden gnadenlos gestrichen. Eine besondere Stilblüte der sogenannten
„public-private partnership“, also der Drittmittelfinanzierung durch das
Kapital, stellt an der Frankfurter Universität das „House of Finance“ dar. Im
„Deutsche Bank Lecture Room“ sitzend darf man hier dem Inhaber der T-Mobile-Stiftungsprofessur
für „Mobile Business & Multilateral Security“ horchen und lernen,
„Mobilität als Schlüsselelement der heutigen Märkte zu begreifen und die durch
mobile Netzwerke neu entstehenden Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen.“

Klassiker der Krisenpolitik

Zu dieser neoliberalen Verballhornung von Bildung kommt in den
letzten fünf Krisenjahren ein zusätzlich verschärfter Sparzwang. Neben
Restrukturierungen und Kürzungen im Bereich Arbeit, Soziales und Gesundheit
gehören auch Kürzungen im Bildungssektor zu den „Klassikern“ der Krisenpolitik.
Sie zielen darauf ab, die Kosten der Reproduktion vom Staat auf die
Lohnabhängigen selbst zu verschieben. Blicken wir zwei Jahre zurück, lässt sich
dies in Hessen mustergültig wiederfinden. 2010 setzte die CDU-Landesregierung
durch, dass die hessischen Hochschulen in den Jahren 2011 bis 2015 insgesamt
150 Millionen einzusparen haben. Die Begründung: Hessen leide unter sinkenden
Steuereinnahmen und einer Rekord-Neuverschuldung. In den Jahren 2008 bis 2010
mussten zwecks Krisenlösung Abwrackprämie, Kurzarbeit und Bankenrettung finanziert
werden – und da Bildung meist nicht unmittelbar rentabel ist, kann hier gespart
werden. Eine Fortsetzung dieser Politik findet sich im aktuellen schwarz-grünen
Koalitionsvertrag. In diesem wurden weitere Kürzungen im Hochschulbereich
festgeschrieben, etwa für das Forschungsprogramm „Loewe“ und das Bauprogramm
„Heureka“. Dass die Unis dann kein Geld mehr haben, um ihre Angestellten und
Hilfskräfte ordentlich zu entlohnen, wundert da nicht mehr. Ein Studium in
Überschallgeschwindigkeit, Ellenbogenkampf um Seminarplätze und ein Fünkchen
Aufmerksamkeit der zu wenigen und unterbezahlten Lehrenden gehören daher
mittlerweile selbstverständlich zum Studium. Zeit und Raum für eine kritische
Reflexion gesellschaftlicher Verhältnisse bleibt im täglichen Dauerlauf zwischen
Nebenjob, Unistress und Wohnungssuche nur wenig. Die Verkürzung des Studiums
durch den Bachelor-Abschluss spart Geld für die Ausbildung der Studierenden und
senkt außerdem den Wert ihrer Arbeitskraft.

Um den geschilderten
Entwicklungen entgegenwirken zu können, kann die Situation an den Hochschulen
nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur in Zusammenhang mit der
Durchkapitalisierung weiterer Lebensbereiche. Daher sollten antikapitalistische
Studierendenproteste in weitere gesellschaftliche Auseinandersetzungen, die aus
der gleichen Perspektive heraus geführt werden, eingebettet werden.

So halten wir es z.B.
für sinnvoll, Widerstand an den Hochschulen in die vom M31-Netzwerk
vorgeschlagene Unterstützung eines möglichen europäischen Generalstreiks
einzubinden. Zu diesem Zweck haben wir in Frankfurt am Main eine M31-Hochschulplattform
gegründet1. Wir schlagen vor, in verschiedenen Städten solche
Plattformen zu gründen, um sich über die Perspektiven für ein Agieren in der
aktuellen Situation zu verständigen.

campusantifa
frankfurt

 [1] Die Frankfurter Plattform ist per Mail unter
hoch_schule-m31-ffm@riseup.net zu erreichen.

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