Gesundheit!

Die Forderungen klingen moderat: Einstellung zusätzlicher Fachkräfte, Einhaltung der Pausen und weniger Überstunden, bessere Bezahlung für Servicekräfte und gleicher Lohn für Neueingestellte. Dennoch reagiert die Geschäftsleitung mit Hausverbot und Strafanzeigen. In den Dachauer Amper-Kliniken wird mit harten Bandagen gekämpft. Offenbar sind alle Mittel recht, um zu verhindern, dass sich in der zum Rhön-Konzern gehörenden Klinik kämpferische Gewerkschaftsstrukturen entwickeln. Mit dem handzahmen Betriebsrat und der inaktiven Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fuhr das Unternehmen bislang ganz gut. Doch in dem einst kommunalen Betrieb regt sich Widerstand. Und dieser geht von einer unabhängigen Betriebsgruppe und der Gesundheitsgewerkschaft „SANITA“ aus, einem Syndikat, das der FAU München angeschlossen ist.

Die Klinikleitung hatte im Juli 2007 einen Aushang der Amper-Betriebsgruppe zum Anlass genommen, um zum Sturm gegen die aktiven Kolleginnen und Kollegen zu blasen. Den Aufruf zur Vernetzung unabhängiger Betriebsgruppen quittierte sie mit der völlig überzogenen Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen. Dazu setzte sie die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) unter Druck, um die Namen der UrheberInnen zu erfahren. Die JAV kam dem nicht nach, der Versuch lief ins Leere. Kurz darauf trat das Gesundheitssyndikat SANITA auf den Plan und sprang der Betriebsgruppe zur Seite: Mit Unterstützung des Allgemeinen Syndikates und des Bildungssyndikates München führte es am 17. August eine angemeldete Kundgebung am Klinikgelände durch, um auf die desolate Situation hinzuweisen. Die dabei verteilten Flugblätter fanden regen Anklang unter den Beschäftigten; auf den Stationen wurden sie von Hand zu Hand weitergereicht. Wieder schoss die Geschäftsleitung aus allen Rohren: Gegen fünf KundgebungsteilnehmerInnen erstattete sie Anzeige wegen Hausfriedensbruchs.

Öffentliches Interesse

Doch den Erfolg dieser Aktion konnte sie mit diesem hilflosen Versuch nicht schmälern. Denn fortan nahm sich auch die regionale Presse der Problematik an und brachte sie so erst recht ins Blickfeld der Öffentlichkeit. Vom Lokalteil der Süddeutschen Zeitung bis hin zum konservativen Münchner Merkur erschienen Berichte, die sich kritisch mit den Arbeitsbedingungen und den Protesten befassten. Die Geschäftsleitung, die bis dahin jeglichen Kommentar ablehnte, sah sich nun gezwungen, öffentlich Stellung zu beziehen. Passenderweise fiel dies mit einem Aktionswochenende zusammen, das die SANITA, erneut mit Unterstützung der anderen Syndikate, vorbereitet hatte. Den Auftakt dazu bildete am 14. September eine Veranstaltung in Dachau zu Arbeitskämpfen im privatisierten Gesundheitssektor in Niedersachsen, die am Folgeabend in München ihre Wiederholung fand. Der Erfolg: in Dachau waren fast ausnahmslos Klinikbeschäftigte erschienen, die beschlossen, sich fortan regelmäßig zu treffen. Dass sie es damit ernst meinten, bewiesen sie schon am Folgetag, indem sie an der eigens organisierten Protestkundgebung teilnahmen. Seitdem kommen sie regelmäßig zusammen.

Tariffähig?

Das Gesundheitssyndikat hat sich mittlerweile als im Betrieb vertretene Gewerkschaft angemeldet. Die Unternehmensleitung verwehrt den GewerkschaftssekretärInnen jedoch den Zugang zum Betrieb. Ihre Argumente sind geradezu hanebüchen: Die in der FAU München zusammengeschlossenen Syndikate seien keine „tariffähigen Gewerkschaften“, folglich würden gesetzlich verbriefte Rechte, die gerade auch kleinen Gewerkschaften ihre Arbeit im Betrieb ermöglichen, nicht für die SANITA gelten. Wie im 19. Jahrhundert ist auch in der Rhön-Klinik aktive Gewerkschaftsarbeit offenbar illegal! Ver.di, die verschwindend wenige Beschäftigte im Betrieb organisiert, werden hingegen die vollen Rechte zugestanden. Die Dienstleistungsgewerkschaft betrachtet das kämpferische Auftreten der kleinen FAU-Gewerkschaft nicht nur mit Neid, sondern mit Schrecken – sieht sie doch auch hier ihren Einflussbereich zunehmend im Schwinden. Während in Funktionärskreisen schon das Gerücht kursierte, SANITA wolle in der Amper Klinik einen eigenen Haustarifvertrag durchsetzen, ließ ver.di selbst bisher nicht erkennen, dass sie bereit und willens ist, die Kampfansage der Geschäftsleitung aufzunehmen. Anders SANITA, die an jedem Wochenende im Dezember mit einem Informationsstand in der Dachauer Altstadt weiter über die Situation in der Klinik informierte.

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