Was war das doch für eine Freude! Eine kurze zwar – sie währte kürzer als der bisher längste Streik der Lokführer –, aber immerhin.
Kaum präsentierte der Bahnvorstand vor Weihnachten seinen neuen Vorschlag, brachen die Unterhändler der GDL die Gespräche wieder ab und ließen sich nur nach mehrstündigen Diskussionen unter ministerieller Beteiligung erneut einfangen. Letzteres hätte ich zu kritisieren. Nichts zu mäkeln gibt es an der Tatsache, dass die GDL weiterhin unabhängige Entscheidungen zum Wohle ihrer Mitglieder einfordert, ohne sich beispielsweise vorher mit Mehdorn-Freund und Teilprivatisierungsbefürworter Norbert Hansen von der Transnet einigen zu müssen. Die GDL will es wissen. Schon lange spricht niemand mehr von der Forderung nach bis zu 30% Lohnerhöhung, mit der die Lokführer ihren Kampf begonnen haben. Interessanter als das tatsächliche Tarifergebnis wird sein, wo es niedergeschrieben steht: in einem Berufsgruppenvertrag innerhalb eines Basistarifvertrages, der für den gesamten Konzern Deutsche Bahn AG gilt oder eben in einem eigenständigen Tarifvertrag.
Solche Beharrlichkeit wird in verschiedenen Medien mit dem Begriff „Hardliner“ bezeichnet. Falsch! Die Leute von der GDL haben einfach nur klar, wo sie hinwollen, und sind deshalb keine Marionetten in den Händen von Konzernmanagern, die ihrerseits auch sehr genau wissen, was sie wollen und was nicht. Zum Beispiel wollen sie eine Tarifgemeinschaft, in der die mitgliederstärkste Gewerkschaft (Transnet) mit ihrem Vorsitzenden (Norbert Hansen) die anderen dominieren kann. Was der Herr Hansen ist und welche Rolle er in der Sozialpartnerschaft spielt, hatten wir ja schon…
Die Herzen meiner Freunde und meines haben die Lokführer – bei aller Schnauzbärtigkeit – jedenfalls gewonnen. Fehlt nur noch, dass sie sich weigern, Castortransporte oder Güterzüge für Rüstungsbetriebe zu fahren. Wir wünschen den Lokführern, der Jahresendfriede möge sie nicht gar so sehr einwikkeln. Denn in unserer Freude an tatsächlichem Chaos sehnen wir nichts mehr herbei, als einen unbefristeten Streik im Güter- und Fernverkehr.
Zusammenbrechende Just-in-time- Ketten, Panikkäufe, fallende Aktienkurse – wegen eines eigenständigen Tarifvertrages. Das muss man sich mal vorstellen und vorstellen und vorstellen…