Uns erreichte diese Rezension aus der JVA Bruchsal. Geschrieben hat sie Thomas Meyer-Falk, der seit 1996 inhaftiert ist. Nach mehreren „Umzügen“ von Knast zu Knast sowie Isolationshaft in Stammheim steht ihm noch eine Zeit im Gefängnis bis 2013 bevor – mit anschließender Sicherheitsverwahrung. Die Höhe seiner Strafe ist vor allem durch seine Weigerung begründet, sich ideologisch vor Justiz und Öffentlichkeit zu ducken, also seine Tat – einen Banküberfall mit Geiselnahme zum Zweck der Erbeutung von Geld für politische Arbeit – nicht gegenüber dem Gericht zu bereuen und seine Überzeugungen zu widerrufen. Eine sehr differenzierte Stellungnahme seinerseits sowie weitere Informationen und Texte findet ihr unter www.freedom-for-thomas.de
Der Autor des hier zu besprechenden Buches hat selbst an die 20 Jahre Hafterfahrung, vor deren Hintergrund er (im Untertitel des Buches) eine „Niederlage des Gefängnisses“ konstatiert.
Bücher von Gefangenen bzw. ehemaligen Gefangenen sind in Deutschland immer noch rar gesät, um so wichtiger erscheint Hubertus Beckers Bestandsaufnahme „Ritual Knast“ (erschienen 2008). Heute als Drehbuchautor in Freiheit lebend, rechnet er in überzeugender Weise mit dem bundesdeutschen Strafvollzug ab. Zwar mit spürbaren Zorn, aber ohne blinden Hass, immer auch den soziologischen Zusammenhang suchend und die gefängnistypischen Phänomene in einen Gesamtkontext einordnend.
Arbeit und Knast
In einer Zeitschrift wie der DA vielleicht von besonderem Interesse, widmet sich Becker in einem der Kapitel des Buches auch dem Thema Zwangsarbeit, der Arbeitspflicht im Strafvollzug. Er bezeichnet die „erzwungende Arbeit [als] verheerend“ für die Psyche der Inhaftierten (a. a. O. S.100) und betont auch deren besonderen, ausbeuterischen Aspekt, wenn Privatfirmen sich der Gefangenen bedienen. Ein weiteres Kapitel (S.143 ff.) befasst sich mit den Möglichkeiten, innerhalb der Knastmauern Widerstand zu leisten, sei es aktiv, sei es passiv. z. b. durch Arbeitsverweigerung.
Mikrokosmos Knast
Wer das Buch von vorn nach hinten liest, der ist „live“ dabei von der Einlieferung der Gefangenen in die Anstalt bis zu deren Haftende. Fast allen wichtigen Stationen innerhalb des Knastes ist ein eigenes Kapitel gewidmet: Über die Wärter, die Gefangenensprache, die Subkultur, aber auch die Sicherungsverwahrung und deren besondere Bedeutung als Disziplinierungsmittel (indem nämlich Gefangenen gedroht wird, man werde für sie bei unbotmäßigem Verhalten eine solche SV beantragen) erfährt die Leserin, der Leser wie das Leben im Knast ist, vor allem, was es aus dem Gefangenen macht.
Es ist ein (von einigen juristischen Unschärfen abgesehen) durchweg empfehlenswertes Buch, dem viele LeserInnen und Neuauflagen zu wünschen sind. Denn noch immer sind Gefängnisse eine terra incognita, das Bild der Menschen draußen, geprägt von Knastserien, verzerrt die Realität. Hier leistet das Buch zugleich auch einen aufklärerischen Beitrag.
Bibliographische Angaben:
Hubertus Becker: „Ritual Knast – Die Niederlage des Gefängnisses. Eine Bestandsaufnahme“. ISBN 978-3-931801-65-6, erschienen 2008 im Forum Verlag Leipzig, 200 Seiten, Preis 16,90 Euro