Ping Pong auf dem Arbeitsmarkt

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In den letzten sechs Jahren ist die Zahl der Menschen, die von Leihfirmen vermietet werden, von 300.000 auf 800.000 (2008) gestiegen. Jetzt, in der Krise, sind LeiharbeiterInnen die ersten, die gefeuert werden: nur rund 500.000 von ihnen sind derzeit noch beschäftigt. Die Prekarisierung der Arbeit und der wachsende Druck auf die Beschäftigten sind gewollt und dauern schon lange an. 1998 waren noch fast drei Viertel der Lohnabhängigen in einem „normalen“ Arbeitsverhältnis beschäftigt, zehn Jahre später nur noch zwei Drittel. Der Anteil des Niedriglohnsektors stieg im gleichen Zeitraum auf 22%, d.h. auf 6,5 Mio. Menschen (siehe dazu „Stillhalten lohnt sich nicht“). Eine deutsche Besonderheit sind die extrem niedrigen Stundenlöhne von weniger als fünf Euro, die in anderen Ländern wegen eines Mindestlohns unzulässig wären.

Nach der Bundestagswahl dürften die Hemmungen fallen, auch die Stammbelegschaften in großer Zahl zu entlassen. Das künstliche Niedrighalten der Arbeitslosenstatistik, etwa durch massive Ausweitung von Kurzarbeit, ist dann politisch nicht mehr nötig. Falls es den Unternehmen gelingt, die Krise zu überstehen, und wieder Bedarf an Arbeitskräften besteht, werden diese wohl nicht mehr fest angestellt, sondern z.B. als LeiharbeiterInnen angeheuert. Diese Einschätzung teilt auch die IG Metall, die davon ausgeht, dass sich bei einem kommenden Aufschwung die Zahl der LeiharbeiterInnen auf 2,5 Mio. verfünffachen könnte. Damit würde das Lohndumping in der Leihbranche endgültig für alle zu schlechteren Löhnen führen.

Die gesetzlichen Regelungen

Der gewerbliche Menschenhandel durch Leiharbeit ist die Branche, in der die umfassendsten Flächentarife in Deutschland gelten, Tarife, die praktisch alle Branchen betreffen. Für die meisten LeiharbeiterInnen gelten die drei zentralen Niedriglohn-Tarifverträge zwischen DGB und Bundesverband Zeitarbeit (BZA), DGB und Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) sowie CGZP und Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP wie auch Mercedarius und BVD).

Im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ist festgelegt, dass LeiharbeiterInnen „für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher die im Betrieb dieses Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts gewährt werden“ muss. Das bedeutet: „equal pay“ und „equal treatment“, gleicher Lohn und gleiche Arbeitsbedingungen.

Selbstverständlich gibt es eine Hintertür: „Ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren.“ Das heißt im Klartext, dass LeiharbeiterInnen um ihr Recht auf „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ betrogen werden können, wenn willige „Gewerkschaften“ mit den Menschenhändlern Dumpinglohn-Tarifverträge abschließen.

Aktuelle rechtliche Konflikte

Der Christlichen „Gewerkschaft“ Zeitarbeit und PSA (CGZP) wurde in der ersten Instanz vom Amtsgericht Berlin die „Tariffähigkeit“ abgesprochen, womit alle ihre Tarifverträge rückwirkend ungültig sein könnten und den LeiharbeiterInnen erhebliche Lohnnachzahlung zustehen würden. Für die Mitglieder der Verbände AMP, BVD und Mercedarius, die den CGCP-Tarif anwenden, besteht damit ein erhebliches finanzielles Risiko.

Aber auch bei den Konkurrenzverbänden BZA und iGZ sind interessante Entwicklungen im Gange. Dort sind die Entgelttarifverträge zwischen der DGB-Tarifgemeinschaft und BZA bzw. iGZ gekündigt, da der BZA nicht über eine minimale Erhöhung der Löhne verhandeln wollte. Die DGB-Tarifgemeinschaft führt derzeit keine Tarifverhandlungen und geht davon aus, dass die Tarifverträge beendet seien.

Jetzt läuft ein juristisches Ratespiel, ob diese Tarife „nachwirken“ oder seit dem 1. Januar ausgelaufen sind. Die Leiharbeitsverbände BZA und iGZ berufen sich auf die sog. „Nachwirkung“ der gekündigten Verträge. Dadurch sollen die Tarifverträge weiter gelten, bis ein neuer abgeschlossen wird, denn ohne Tarifvertrag hätten die LeiharbeiterInnen Anspruch auf „equal pay“. Die Verbände verweisen dabei auf eine Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit, in der von einer grenzenlosen Nachwirkung bereits ausgelaufener, gekündigter und mangels Einigung auch beendeter Leiharbeitstarifverträge ausgegangen wird. Dies gelte sogar für Arbeitsverhältnisse, die in der Nachwirkungszeit zustande kommen.

Bisher sah die Rechtssprechung so aus, dass für Arbeitsverhältnisse, die vor der Vertragskündigung bestanden haben, ein Tarifvertrag nachwirkt. Bei solchen jedoch, die nach dem Vertragsende eingegangen wurden, galt bisher der Grundsatz, dass die gekündigten Tarifverträge nicht zur Anwendung kommen und nicht nachwirken. Folglich herrscht bei BZA und iGZ große Sorge. Es könnte passieren, dass die Gerichte feststellen, im speziellen Fall der Leiharbeit (AÜG) sei keine „Nachwirkung“ gegeben. Ebenso könnte entschieden werden, dass ein gekündigter Tarifvertrag für nachträglich Eingestellte nicht gilt. Das würde uns dem Ende der Leiharbeit näher bringen.

Flucht in Haus- und Firmentarifverträge?

Um die finanziellen Risiken wegen der gekündigten Entgelttarifverträge zu reduzieren, versuchen einige Leihfirmen, eigene Haus- bzw. Firmentarifverträge mit der IG Metall abzuschließen. Ver.di spielt z.Z. keine größere Rolle mehr, weil ihr in dem Prozess über die Tariffähigkeit der CGZP die satzungsmäßige Tarifzuständigkeit für die Leiharbeitsbranche abgesprochen wurde.

Da die IG Metall weder ausreichend Mitglieder noch genug Einfluss hat, um z.B. durch Streiks wirklich Druck auszuüben, scheint auch sie durch Haus- oder Firmentarifverträge zu versuchen, mehr Einfluss in der Leiharbeitsbranche zu bekommen. Außerdem würde sie durch Haustarifverträge nicht Gefahr laufen, „Dauer-Tarifverträge“ zu etablieren, die zu endloser Nachwirkung führen könnten. Allerdings dürften solche Haustarifverträge für die Betroffenen nur wenig besser ausfallen, als der aktuelle Tarifvertrag mit dem iGZ.

Abschaffung der Leiharbeit!

Da auch die Zahl unserer Mitglieder in solchen Arbeitsverhältnissen erheblich gestiegen ist, führt die FAU seit Jahren Auseinandersetzungen mit Leiharbeitsfirmen. Wie die obigen Konflikte auch ausgehen, für uns steht fest, dass die Leiharbeit nicht „fairer“ gestaltet werden soll, sondern dass diese Form des Menschenhandels abgeschafft werden muss.

Unsere Aktivitäten – darunter auch der erste Streik gegen eine Leihfirma in Deutschland – haben dazu geführt, dass wir auf der FAU-Website seit Jahren mehrere zehntausend Zugriffe im Monat allein auf Informationen und Tarifverträge zur Leiharbeit feststellen können.

Die FAU arbeitet daran, genügend Mitglieder in einer Leiharbeitsfirma zu organisieren, um dort die DGB- und CGB-Dumpingtarifverträge beispielhaft außer Kraft zu setzen oder eine Gleichbehandlung zu erzwingen. Dies wäre ein wichtiges Signal in einem Bereich, der bisher der Willkür der staatlichen Arbeitslosenverwaltung und der Menschenhändler ausgeliefert ist.

Um den Kampf gegen die Leiharbeit auch öffentlich sichtbar zu machen und um Druck auf die Menschenhändler auszuüben, rufen FAU-Syndikate alle Interessierten zur kreativen Beteiligung an einer bundesweiten „Aktionswoche zur Abschaffung der Leiharbeit“ auf – vom 18.–25. September.

kc, FAU VAB Frankfurt

 

Weitere Informationen zur Aktionswoche gibt es unter www.leiharbeit-abschaffen.de.

 

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