Mit Kaffee und Schokolade gewannen Fair-Trade-Produkte seit den 1990ern an Bekanntheit und Bedeutung. Sie haben es inzwischen vom Eine-Welt-Laden ins Supermarktregal geschafft. Nun gibt es dort auch „fair gehandelte“ Kleidung – doch nicht immer ist drin, was draufsteht.
Seit 1996 setzen sich 22 Organisationen in Deutschland, darunter die IG Metall und ver.di, im Rahmen der „Kampagne für Saubere Kleidung“ für bessere Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern ein. Direkte Aktion sprach mit Christiane Schnura in Wuppertal, Koordinatorin der Kampagne in der Bundesrepublik.
Die Kampagne für Saubere Kleidung, oder Clean Clothes Campaign (CCC), reichte im April 2010 zusammen mit der Verbraucherzentrale Hamburg Klage gegen Lidl ein. Der Vorwurf: Unlauterer Wettbewerb durch Werbung für Produkte aus „fairen Arbeitsbedingungen weltweit“. Wie bewerten Sie den juristischen Erfolg?
Das ist ein deutlicher Erfolg gewesen, weil Lidl die Behauptung zurücknehmen und zugestehen musste, dass sie mit dieser Aussage nicht mehr werben. Letztendlich ist es ja nicht zu einem Prozess gekommen, sondern sie haben im Vorfeld die ganze Sache zurückgezogen. Und das gibt der Kampagne im Grunde recht, wenn wir sagen, da brüsten sich Unternehmen mit sozialen Mäntelchen und es steckt nichts dahinter. Wir nennen das Schönfärberei und genau das betreibt Lidl. Das haben wir mit dieser Klage zu entlarven versucht – und das ist uns gelungen.
Können Sie die Einbußen des Unternehmens beziffern, dadurch, dass diese Lüge aufgedeckt wurde?
Lidl ist ein Familienunternehmen und von daher auch nicht verpflichtet, Bilanzen zu veröffentlichen. Von daher ist es prinzipiell schwierig, überhaupt an verlässliches Zahlenmaterial zu kommen. Wir vermuten, dass es Einbrüche gab, aber wir können es letztendlich nicht genau beziffern und auch nicht beweisen.
Sie haben die Schönfärberei angesprochen. Nach dem „grünen“ geben sich nun viele Unternehmen auch einen „sozialen“ Anstrich. Wie funktioniert dieses „social washing“?
Das läuft so, dass sie in bestimmten Bereichen Zugeständnisse machen, oder dass sie einzelne Projekte in den Produktionsländern fördern. So versuchen sie im Grunde abzulenken von den Produktionsbedingungen, die wir in den Zulieferbetrieben tagtäglich haben. Sie unterstützen dann beispielsweise ein Schulprojekt in Indien, aber gleichzeitig lassen sie in Indien unter ganz schlimmen Bedingungen produzieren. Damit versuchen sie, sich ein Feigenblatt zu geben und als sozial engagiertes Unternehmen zu erscheinen.
Es gibt ja auch Unternehmerverbände mit Selbstverpflichtungserklärungen. Wie wirksam sind die?
Das Problem ist, fast alle deutschen Bekleidungsunternehmen haben sich einen eigenen Verhaltenskodex zu geben. Diese Kodizes basieren auf den ILO-Kernarbeitsnormen, das heißt keine Kinderarbeit, angemessene Arbeitszeiten usw.
Aber diese Kodizes haben zwei große Schwachpunkte: Zum einen ist die Zahlung eines existenzsichernden Lohnes nicht darin verankert, das ist eine zentrale Forderung der Kampagne. Zum zweiten besteht natürlich das Problem, dass Papier geduldig ist: Die Einhaltung der Selbstverpflichtungen wird nicht unabhängig kontrolliert. Das gehört dann auch zum „social washing“: Da hat ein Unternehmen zwar einen solchen Kodex, aber die Frage ist, wie wird er umgesetzt. Wir sind der Meinung, die Einhaltung dieser Bestimmungen muss im Rahmen einer Multi-Stakeholder-Initiative kontrolliert werden, mit den Gewerkschaften und KollegInnen vor Ort. Sonst funktioniert das nicht.
Neben den Discountern wie Lidl und Aldi schauen Sie nun auch Sport- und Outdoor-Herstellern wie Puma und Tatonka auf die Finger. Wie läuft so eine Clean-Clothes-Kampagne idealtypisch ab? Wie gehen Sie vor?
Wenn Arbeitsrechtsverletzungen auftreten in den Produktionsländern, z.B. wenn eine Fabrik in Brand gerät, oder Löhne nicht gezahlt werden, wenn Frauen fristlos entlassen werden, weil sie sich gewerkschaftlich betätigen wollen – wenn solche Arbeitsrechtsverletzungen auftreten, wird in der Regel das Internationale Büro der Kampagne in Amsterdam informiert. Dann prüft man nach, wer lässt da gerade herstellen. Und wenn das ein bundesdeutsches Unternehmen ist, werden wir darüber informiert und wir machen dann Eilaktionen.
Das heißt, wir überprüfen als allererstes, was an den Vorwürfen dran ist. Wir nehmen Kontakt auf mit den Organisationen in den Produktionsländern. Aber wir fragen auch bei den Unternehmen nach, dass sie dazu Stellung nehmen. Wenn diese Stellungnahmen ausbleiben oder aber unbefriedigend sind, dann gehen wir an die Öffentlichkeit. Unser Weg ist eigentlich nicht so sehr der über die Gerichte, sondern wir versuchen, öffentlichen Druck herzustellen.
Wir haben einige aktive Regionalgruppen und die gehen auch auf die Straße, machen Informationsstände, verteilen Flugblätter und machen Aktionen. Wir nutzen aber auch die öffentlichen Medien und versuchen, auch mal ins Fernsehen zu kommen oder in große Zeitungen. In letzter Zeit ist uns das auch ganz gut gelungen.
Im besten Falle führt der öffentliche Druck dann dazu, dass das Unternehmen positiv reagieren muss, also konkret Leute wiedereinstellt, vorenthaltene Löhne auszahlt, etc.
Die Niedriglohnpolitik hierzulande beflügelt ja den Discounter-Markt seit Jahren. Inwieweit sehen Sie die Verbraucher in der Verantwortung? Wie wollen Sie den Teufelskreis von schlechten Arbeitsbedingungen und Billigkonsum durchbrechen?
Punkt eins ist erstmal, dass wir gerade bei dieser Discounter-Kampagne auch die Arbeitsbedingungen der KollegInnen hier vor Ort, in Deutschland mit berücksichtigen. Es geht uns nicht nur um Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern. Wobei wir hier in Deutschland starke Gewerkschaften haben und von daher die Interessenvertretung der deutschen KollegInnen bedeutend einfacher und auch erfolgreicher ist.
Natürlich ist die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten hier in Deutschland ein Problem, so dass Menschen wirklich billig einkaufen müssen, weil sie zu wenig zum Leben haben. Das ist ein ganz großes Problem, das sehen wir genauso. Das ist aber in dem Fall nicht unsere Baustelle.
Wenn es nun darum geht, das aufzubrechen, da haben wir den Fokus in der entwicklungspolitischen Arbeit in den Produktionsländern: in Osteuropa, in Mittelamerika und in Asien. Eine unserer langfristigen und zentralen Forderungen ist es, dass es internationale Arbeitsgesetze gibt. Denn es kann doch nicht sein, dass ein deutsches Unternehmen, das hier viele Sozialstandards einhalten muss, sich um Arbeitsrechte nicht mehr schert, sobald es Aufträge in solche Billiglohnländer vergibt. Deshalb fordern wir internationale Arbeitsgesetze, die dann auch sanktioniert werden, wenn sie gebrochen werden. Das ist der Dreh- und Angelpunkt. Es gibt ja z.B. schon die OECD-Guidelines, es gibt die UN-Organisation ILO. Diese Organisationen können Verstöße zwar auch mehr oder weniger anprangern, aber sie haben keine Möglichkeit der Sanktion. Von daher ist das heute ein zahnloser Tiger.
Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!