Seit Juni befindet sich die Belegschaft des Onlinehändlers Amazon im Arbeitskampf. Ziel der Gewerkschaft ver.di, die zu den Streiks aufgerufen hat, ist es, einen Tarifvertrag abzuschließen. Bisher konnte Amazon durch kleine Lohnerhöhungen den Streik immer noch abwenden, wenn mal wieder mehrere MitarbeiterInnen Verdianer wurden.
Der Zeitpunkt ist so günstig wie nie zuvor: Die öffentliche Stimmung gegenüber Amazon ist denkbar schlecht. Zwar war Amazon nie als Hort sozialer Gerechtigkeit bekannt, war aber einigen Kommunen sehr willkommen, da mit einem Schlag über 1000 Arbeitsplätze geschaffen werden konnten. Da schauten die Verwaltungen auch nicht so genau hin, ob die Umwidmung von Land in Gewerbefläche mit den Stadtentwicklungskonzepten vereinbar war und um was für Arbeitsplätze es sich handelt. Es ging sogar soweit, dass das Jobcenter Leipzig „Praktikanten“ zur „Aktivierung“ als kostenlose Arbeitskräfte zu Amazon schickte. Diese bekamen weiterhin nur ALG II. Kaum jemand wurde in eine sozialversicherungspflichtige Anstellung übernommen. Obwohl es nie zu einem rechtskräftigen Urteil kam, welches die Illegalität feststellte, beendete das Jobcenter diese Praxis Anfang 2012.
Noch immer stellt Amazon jedes Jahr sachgrundbefristet Leute ein, um das Weihnachtsgeschäft zu bewältigen. Allerdings wurde in den letzten Jahren das Weihnachtsfest immer zum gleichen Datum begangen, so dass auch Amazon nicht von der jährlichen Feier zur „Geburt des Herrn“ überrascht sein kann. Viele Arbeitsrechtsexperten sind jedoch der Meinung, dass damit kein Sachgrund für eine Befristung vorliegt und diese somit rechtswidrig wären.
Angestellte berichteten, dass einzelne Teamleiter den Leuten verboten, außerhalb der Pausen (welche ohnehin weitgehend für den langen Marsch zum Pausenraum draufgehen) auf Toilette zu gehen. Das mediale Fass zum Überlaufen brachte aber die ARD-Reportage „Ausgeliefert“, in der von spanischen Amazon-Angestellten berichtet wurde, die von Amazon unter falschen Versprechungen nach Deutschland geholt wurden und in der Unterkunft von Neonazis überwacht wurden. Amazon behauptete zwar, man habe „eine Null-Toleranz-Grenze für Diskriminierung“, doch musste sich Amazon auch in Leipzig wegen Entlassungen aus rassistischen Gründen schon vor Gericht verantworten.
Amazon lebt die Kultur des „hire and fire“: In einem Brief der Amazon-Belegschaft in Leipzig heißt es: „Die Arbeitenden werden permanent und systematisch überwacht (bspw. über die Erfassung von Bewegungsprofilen) und sind einem zermürbenden Leistungszwang ausgesetzt. Dieser kristallisiert sich insbesondere in den gezielt eingesetzten, mit Existenzängsten spielenden Feedbackgesprächen. Denn 2/3 der Beschäftigten leben mit befristeten Arbeitsverträgen und damit in ständiger Angst um die eigene Zukunft.“
„Die Beschäftigten wollen dieses System zu Fall bringen.“, sagt ein ver.di-Vertreter. Aber es geht natürlich nur um das „System Amazon“. Bemerkenswert daran ist, dass die Belegschaft darin auch von jungen Menschen, die nicht bei Amazon arbeiten, unterstützt wird. In Leipzig brachte die ASJ schon im Juni „libertären Kaffee“ und ein Solidaritätsschreiben zu den Streikposten. Später hat sich ein Bündnis von mehreren Hochschulgruppen und der ASJ gebildet. Ziel des Bündnisses war es bisher, auf dem Campus über die prekären Lohn- und Arbeitsverhältnisse und den Streik zu informieren. Auch wurden Unterschriften für den Brief der Belegschaft gesammelt – dabei sind innerhalb von einer Woche schon über 500 zusammengekommen.