Frankreich: Hartnäckigkeit zahlt sich aus
Und wieder ein Betrieb in Selbstverwaltung! Im südfranzösischen Aubagne (Nähe Marseille) hielten 76 Beschäftigte einer Unilever-Teebeutelfabrik seit September 2011 ihren Arbeitsplatz besetzt. Vorausgegangen war eine Ankündigung des Konzernriesen von August 2010, die dortigen Lipton-Tee-Werke zu schließen und nach Polen zu verlagern. Gut ein Jahr später folgte die Kündigung der einst 182 Personen zählenden Belegschaft (bzw. das unrealistische Angebot, den Job in Polen fortzusetzen) – der letztliche Auslöser für die Besetzung. Doch die jahrelange Hartnäckigkeit sowie zusätzliche Gerichtsklagen seitens der Beschäftigten haben sich gelohnt: Seit Ende Mai ist klar, dass nicht nur alle Beschäftigten je 100.000 Euro Abfindung erhalten, sondern Unilever auch 19,26 Mio. Euro für die Gründung einer Genossenschaft bereitstellt. Gewerkschaften begrüßen den Schritt als Mutmacher für andere ArbeiterInnen im Kampf um gute Arbeitsbedingungen, sogar Frankreichs Arbeitsminister Rebsamen wünscht der Genossenschaft „viel Erfolg und ein langes Leben“. Auch gibt es schon Pläne, wie ein Teil des Geldes angelegt werden soll: 300.000 Euro für die Instandsetzung der Produktion, 250.000 Euro für neue Technologien, 200.000 Euro für die Rekrutierung von Führungspersonal, 50.000 Euro für Marketing und die Entwicklung einer neuen Marke und 500.000 Euro für die Fortbildung des Personals. 1,52 Mio. Euro werden als Betriebskapital der Genossenschaft aufgewandt. Neben solidem Wirtschaften will die Genossenschaft auch soziale Verantwortung in den Vordergrund stellen, etwa durch Abschlüsse von Fair-Trade-Verträgen mit Teelieferanten. Die Belegschaft verkündete, noch vor Ende dieses Jahres die Produktion wiederaufnehmen zu wollen.
Türkei: Soma – und der Klassenkampf von oben
Es ging Mitte Mai durch alle Medien, dennoch sollte dieser Vorfall hier nicht unter den Tisch fallen: Mindestens 301 tote Bergleute, 85 Verletzte – das größte Grubenunglück in der Geschichte der Türkei. Auslöser war eine Trafoexplosion am 13. Mai in 400 Metern Tiefe, die viele der 787 ArbeiterInnen einschloss; vier Tage lang wurde nach Überlebenden gesucht. Dabei hatte die oppositionelle CHP zwei Wochen zuvor eine Inspektion des Braunkohlewerks gefordert, die regierende islamisch-konservative AKP lehnte jedoch ab. Die Privatisierungspolitik von Ministerpräsident Erdogan, der in diesem Zusammenhang Unglücke solcher Art öffentlich als „ganz normale Ereignisse“ bezeichnete, war in den letzten Jahren mehrfach verantwortlich für ähnliche Vorfälle. In der zwölfjährigen Regierungszeit Erdogans kamen bisher 14.000 ArbeiterInnen bei Arbeitsunfällen ums Leben. Auch die Mine in Soma war unter ihm privatisiert worden. Noch kurz vor dem tragischen Ereignis gaben Führungskräfte der innehabenden Soma Holding AG an, die laufenden Kosten um 60 Prozent senken zu wollen. Für Einsparungen wurden erfahrene ArbeiterInnen entlassen und unerfahrene LeiharbeiterInnen eingestellt, der jüngste Tote war gerade einmal 15 Jahre alt. Im Zuge des Unglücks kam es zu landesweiten Protesten, allein in Ankara war die Rede von bis zu 4000 DemonstrantInnen. Die Polizei reagierte teils brutal mit Wasserwerfern und Tränengas. Die Region Soma ist stark vom Bergbau geprägt, der für viele BewohnerInnen häufig die einzige Einkommensquelle darstellt. So wird auch plausibler, dass sie hier für 350 Euro monatlich einen lebensgefährlichen Knochenjob verrichten.
Brasilien: VerkehrsdienstleisterInnen streiken
Während die einen mit Wurst und Bier ihren Vaterländern zujubeln, leidet ein Großteil der EinwohnerInnen Brasiliens unvermindert unter der rigorosen Sparpolitik der Regierung. Dies rief auch das Metropersonal São Paolos auf den Plan: Anfang Juni verrichteten sie einen fünftägigen Streik, nachdem ihnen eine Lohnerhöhung von lediglich 8,7 Erhöhung angeboten wurde. Dabei hatte die Belegschaft ihre Forderung bereits auf 12,2 Prozent Erhöhung nach unten korrigiert, zuvor waren es 16,5 Prozent. Auch wenn die Forderung zunächst sehr hoch scheinen mag, wird sie durch eine Inflationsrate von rund sechs Prozent jährlich umso erklärbarer. Auch die Wiedereinstellung entlassener MitarbeiterInnen wurde gefordert. Die Polizei attackierte die Streikenden mit Tränengas. Eine Wiederaufnahme des Ausstands zu WM-Beginn wurde abgelehnt, unter anderem auch deswegen, weil gerichtliche Strafzahlungen zu befürchten waren. Allerdings kündigte die Belegschaft an, ihren Kampf fortzusetzen, zunächst in Form von Protesten. Im Zuge des Streiks entstanden teils 250 Kilometer lange Staus. Rund 4,5 Millionen Menschen sind täglich auf die städtische Metro angewiesen.Auch an den drei Flughäfen Rio de Janeiros kam es am 12. Juni (WM-Beginn) zu einem Ausstand des Bodenpersonals, er dauerte 24 Stunden. Auch hier fordern die Beschäftigten bis zu zwölf Prozent mehr Gehalt sowie Bonuszahlungen für die WM und bessere Arbeitsbedingungen. Nach einem Gerichtsurteil durften allerdings nur 20 Prozent der Belegschaft streiken.
Südafrika: Längster Arbeitskampf des Landes bald zu Ende?
Nach fünf Monaten Streik zeichnet sich für die Platin-Kumpels der Anglo American Platinum bei Rustenburg eventuell ein Erfolg ab: Die Forderung, den Lohn von durchschnittlich umgerechnet 350 Euro auf 850 Euro monatlich anzuheben, ist – seit dem Konflikt 2012 – unverändert geblieben und steht kurz vor der Umsetzung. 2012 gipfelte die Auseinandersetzung im „Massaker von Marikana“, bei dem 34 Bergleute von der Polizei erschossen wurden. Die nun erzielte Einigung beider Konfliktparteien muss jedoch noch von der Basis der Gewerkschaft AMCU gebilligt werden. Befürchtet wird, dass eine Lohnerhöhung den Arbeitsprozess straffen und zu Entlassungen führen könnte.