Die Soziale Arbeit, früher auch als Sozialpädagogik bezeichnet, hat ein vielfältiges Berufsfeld: Streetwork, Suchthilfe, Jugendarbeit oder Familienberatung sind nur einige Bereiche, in denen Sozialarbeitende tätig sind. Doch mindestens ebenso groß ist die Vielfalt, wenn es um die Bezahlung geht – nach unten ist alles möglich. Dass Soziale Arbeit ein akademischer Beruf ist, ist auf der Gehaltsabrechnung selten erkennbar. Der ohnehin niedrige Lohn nach TVöD oder TVL wird von kirchlichen oder privaten Anbietern in der Regel noch unterboten. Die oft verwendete Formulierung „Bezahlung in Anlehnung an TVöD“ entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Black Box, die nahezu alles bedeuten kann, in den seltensten Fällen jedoch einen angemessenen Lohn.
In Hannover schrieb ein Kaufhaus, das mit einem angeblich „fairen“ und „sozialen“ Anspruch für sich wirbt, eine 30-Stunden-Stelle für staatlich anerkannte SozialarbeiterInnen aus. In dem von kirchlichen Wohlfahrtsverbänden getragenen Unternehmen sollten diese typische sozialarbeiterische Tätigkeiten verrichten, wie Konzeptentwicklung, die Anleitung von Ehrenamtlichen und Durchführung von Qualifizierungsmaßnahmen. Das kleine Manko am unteren Ende der Stellenbeschreibung: Es wird nach Tarif bezahlt – für den Einzelhandel. Zusätzlich dreist an der Stellenanzeige ist die Tatsache, dass sie von einer ehemaligen Lehrbeauftragten für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Hannover unterzeichnet war.Dies ist nur ein Beispiel von vielen. Mechthild Seithe und Corinna Wiesner-Rau lassen in ihrem Band „Das kann ich nicht mehr verantworten! Stimmen zur Lage der Sozialen Arbeit“ verschiedene Praktikerinnen und Praktiker zu Wort kommen. Neben der schon erwähnten Tarifflucht kommen etliche weitere mangelhafte Arbeitsbedingungen zur Sprache: Neueinstellungen gibt es nur noch mit Befristung, MitarbeiterInnen, die wegen eines Burnouts kündigen, gehören zur Routine. Wird die Arbeitszeit für Vor- und Nachbereitung sowie für Fahrtwege entlohnt? Kaum. Und wenn AdressatInnen der Familienhilfe absagen? Dann gibt’s halt weniger Lohn. Eine Sozialarbeiterin bringt es auf den Punkt: „Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass man sich regelrecht verarscht vorkommt, wenn man unter solchen Bedingungen noch gute Arbeit leisten soll.“Da stellt sich doch die Frage, wann es zum angebrachten Widerstand gegen diese Beschäftigungspolitik kommt. Es ist höchst verwunderlich, wie selten es Professionellen, die sich unter teilweise ungesundem beruflichen Engagement für die Ausgegrenzten dieser Gesellschaft einsetzen, gelingt, ihre eigenen Interessen zu vertreten. Der weitgehend ungestörte Siegeszug des Neoliberalismus hat hier geschafft, woran schon viele SozialarbeiterInnen in der täglichen Praxis gescheitert sind. Zwischen Professionellen und den meisten AdressatInnen herrscht ein Verhältnis auf Augenhöhe: Beide stehen sich vereint im Prekariat gegenüber.