Syriza regiert in Griechenland, in Spanien führt Podemos bei den Umfragen und könnte aus den kommenden Wahlen siegreich hervorgehen. Es scheint fast so, als sei die südliche Peripherie der Europäischen Union fest in linker Hand. Da könnte man annehmen, dass die portugiesische Linke ebenfalls im Aufwind ist. Zahlreiche Generalstreiks, Massenproteste mit mehreren hunderttausend Menschen und eine reiche Geschichte linker Organisationen sprechen eigentlich dafür, dass die Linke bei den kommenden Wahlen im Oktober 2015 erfolgreich sein müsste. Die Meldungen, dass in Portugal eine Schwesterpartei von Podemos entsteht, scheinen diese Annahme zu bestätigen.
Parteien, Wahlbündnisse, Bewegungen
Allerdings ist der portugiesische Ableger von Podemos kein wirklicher Neuanfang, sondern wie die meisten anderen linken Neugründungen eine Abspaltung aus dem Linksblock („Bloco de Esquerda“), der Schwesterpartei von Syriza in Portugal. Der Linksblock ist eine linkssozialdemokratische Partei und entstand 1999 als Wahlbündnis verschiedener linksradikaler Organisationen (wie etwa der maoistischen UDP und der trotzkistischen PSR) und Dissident_innen aus der PCP, der Portugiesischen Kommunistischen Partei. Die Pluralität der Gründungsmitglieder führte zu einer politischen Vielstimmigkeit, wenn etwa der „linke“ Flügel der Partei eher in den sozialen Bewegungen aktiv war, während der „rechte“ Flügel gerne gemeinsam mit den Sozialdemokraten regieren würde.
Auffällig ist, dass der Linksblock nicht von der Unzufriedenheit mit der Austeritätspolitik in Portugal profitiert, sondern vielmehr massiv Wählerstimmen verloren hat. Bei den letzten Parlamentswahlen 2011 erhielt der Linksblock nur noch fünf Prozent der Stimmen – ein Verlust von etwa 50 Prozent gegenüber 2009. Dies lag nicht zuletzt an Ankündigungen von Linksblock-Politiker_innen, mit der sozialdemokratischen Partei (PS) koalieren zu wollen. Solche Angebote an die Sozialdemokraten, die lange die Austeritätspolitik forciert haben, führten dazu, dass diejenigen, die gegen die Spar- und Krisenpolitik der Regierung protestieren und streiken, wenig Anreize haben, den Linksblock zu wählen. Der massive Verlust an Wählerstimmen zwischen 2009 und 2011 dürfte damit zusammenhängen.Angesichts dessen, dass die PCP mit ihrem Politikmodell (Ablehnung der EU, Ablehnung der Austeritätspolitik und keine Zusammenarbeit mit Konservativen und Sozialdemokraten) zumindest ihre Wähler_innen halten konnte, gab es beim Linksblock einen vorsichtigen Wandel nach „links“.Dies verursachte 2013 eine erste Linksblock-Abspaltung, nämlich die linksliberale Livre-Partei unter der Führung von Rui Tavares, einem damaligen Linksblock-Abgeordneten im EU-Parlament. Livre hat gerade in Lissabon, der bisherigen Hochburg der Partei, viele potenzielle Linksblock-Wähler_innen für sich gewinnen können und erhielt hier bei der Europawahl 2014 mehr Stimmen als der Linksblock. Nun versucht die linksliberale Livre-Partei gemeinsam mit anderen linken Gruppen ein Wahlbündnis aufzustellen. Unter dem Titel „Tempo de Avançar“ („Zeit des Fortschritts“) will das linksliberale Lager die Wählerpotenziale links von der Sozialdemokratie mobilisieren.Allerdings war die „linke“ Wende im Linksblock im Sinne einer Wählermobilisierung nicht wirksam. Seit 2011 hat der Linksblock bei allen Wahlen sehr schlecht abgeschnitten. Die Wahlniederlagen verstärkten die Krise des Linksblocks und führten zu einer Reihe von Austritten und schließlich zur Entstehung von Juntos Podemos, dem portugiesischen Ableger von Podemos. Juntos Podemos eint hauptsächlich ehemalige Linksblock-Mitglieder und Aktivist_innen aus den niedergegangenen sozialen Bewegungen, wie etwa aus dem „Que se Lixe a Troika“-Netzwerk. Die Gründungsphase war begleitet von kontroversen Debatten, ob Juntos Podemos eher ein Netzwerk oder Bündnis von Aktivist_innen oder eine politische Partei, die bei Wahlen antritt, werden sollte. Schließlich haben sich die Befürworter_innen der Parteigründung durchgesetzt, wodurch es bereits zu ersten Austritten aus Juntos Podemos seitens der unterlegenen Fraktion kam. Noch sammelt Juntos Podemos Unterschriften, um bis zu den Parlamentswahlen im Oktober als Partei anerkannt zu werden. Ein qualitativer Unterschied zwischen Linksblock und Juntos Podemos ist nicht erkennbar, und beide Parteien dürften die gleichen Wählergruppen ansprechen.
Keine Zeit des Fortschritts
Zu der Fragmentierung im linken Lager kommt erschwerend hinzu, dass linke Parteien in Portugal – anders als in Griechenland und Spanien – nicht mehr aus einer lebendigen Protestbewegung Wähler_innen schöpfen können. Die Protest- und Streikbewegungen, die in den Jahren 2011 bis 2013 sehr viele Menschen mobilisieren konnten, sind inzwischen weitgehend zusammengebrochen. Dies ist zwar nicht nur für die linken Neugründungen, sondern auch für die bereits etablierten linken Parteien ein zusätzliches Problem. Aber nicht alle linken Akteur_innen sind gleichermaßen von den Höhen und Tiefen der Protestbewegungen abhängig. So kann die PCP aufgrund ihrer gesellschaftlichen Verankerung und der Macht ihrer Vorfeldorganisationen wie etwa des größten Gewerkschaftsverband des Landes CGTP relativ konstant sieben bis zehn Prozent der Wähler_innen mobilisieren. Dies ist auch für die nächsten Wahlen zu erwarten.
Insgesamt ist ein linker Wahlerfolg in Portugal recht unwahrscheinlich. Die Linksblock-Konkurrenten Livre/Tempo de Avançar und Juntos Podemos werden aller Voraussicht keine Sitze im Parlament erringen können. Ob sie in Form von Kleinstparteien in den nächsten Jahren bestehen bleiben, ist noch offen. Ebenfalls offen ist die Zukunft vom Linksblock. Die vermutlich schlechten Ergebnisse dürften die Krise der Partei weiter vertiefen und neue Abspaltungen und Rücktritte hervorbringen. Das Projekt einer linken Sammlungsbewegung, das 1999 anfing, könnte schon bald in der Bedeutungslosigkeit versinken. Nur die PCP kann davon ausgehen, bei den nächsten Wahlen ihr Wählerpotenzial zu halten. Aber auch hier sind keine großen Steigerungen zu erwarten. Soviel steht fest: Die nächste portugiesische Regierung wird nicht links, sondern konservativ oder sozialdemokratisch sein.