Selbstverwaltet in die Krise

Die sozialen Zustände in Griechenland verschlechtern sich stetig und ein Ende dessen ist nicht abzusehen. Und seit es begann, gibt es letztlich ohnmächtigen Protest dagegen, Streiks und Demonstrationen. Die ArbeiterInnen der geschlossenen Firma Vio.Me haben es nicht dabei belassen und den direkten Weg gewählt ihre Lebensumstände zu verbessern: sie beanspruchen ihren geschlossenen Betrieb für sich und haben am 12. Februar 2013 die Produktion in Selbstverwaltung wieder aufgenommen.

Nachdem sich die in Thessaloniki ansässige Firma für chemische Baustoffe durch ein Darlehen an eine andere Firma der Unternehmensgruppe verschuldet hat, verließ das Management das sinkende Schiff. Über Nacht wurde die Produktion eingestellt und es wurden keine Löhne mehr gezahlt. Nachdem der Weg über die staatlichen Stellen zu keiner Lösung für die ArbeiterInnen geführt hatte, wurden die Überlegungen immer konkreter selbst dafür zu sorgen, dass wieder genug zum Leben ausgezahlt wird. Die Fabrik und das Lager wurden durchgehend von den ArbeiterInnen bewacht, damit weder die gut gewarteten Maschinen noch Waren oder Rohstoffe aus dem gefüllten Lager entwendet werden.

Im September 2012 lief das Arbeitslosengeld aus. Es wurde ein Fond gegründet, in den alle einzahlten und woraus die, die es am nötigsten hatten mit dem Notwendigen versorgt wurden. Die Vollversammlung wurde schon vorher schnell das entscheidende Gremium der Belegschaft, der Gewerkschaftsrat wurde abgeschafft. In der Vollversammlung wurde auch gemeinsam die Fortführung der Fabrik in Selbstverwaltung diskutiert und beschlossen ohne etwas zu überstürzen. Es wurde sich mit anarchistischen und linksradikalen Gruppen vernetzt. Dadurch konnte im Voraus eine große Öffentlichkeit hergestellt werden. Durch Solipartys und Konzerte wurde Geld organisiert, sowohl um die ArbeiterInnen ohne Einkommen zu versorgen als auch für den Prozess der Wiederaufnahme der Produktion.

Die Erinnerungen an die Wirtschaftskrise in Argentinien 2001 werden wach, wo viele Betriebe pleite gingen und schließen mussten, die Belegschaften in zahlreichen Fällen die Produktion in Selbstverwaltung weiterführten und so die Folgen der Krise abmildern konnten. Ein Beteiligter dieser argentinischen Bewegung war auch bei Vio.Me zu Gast um über seine Erfahrungen zu berichten. So herrscht auch ein Problembewusstsein dafür, welche Probleme auf einen selbstverwalteten Betrieb zukommen können, denn auch dieser bewegt sich im kapitalistischen Markt. Die Hoffnung ist jedoch, dass andere Belegschaften es ihnen gleich tun und so andere Formen der Verteilung ausprobiert werden können.

Noch ist die eigentliche Produktion nicht angelaufen. Es werden alte Lagerbestände verkauft um Geld zusammenzubekommen. Auch selbstverwaltete Produktion ist im Kapitalismus auf eine Anschubfinanzierung angewiesen. Ohne G kein W kein G‘.

Die griechische Gesellschaft steht wie es scheint am Scheideweg. Der Rassismus sowohl von staatlicher Seite als auch aus der Gesellschaft grassiert und auch die Linke zückt wesentlich die etatistische und nationale Karte. Umso erfreulicher ist diese Selbstermächtigung der durch die Krise ausgeschlossenen ArbeiterInnen. Denn wenn die Häuser leer stehen, weil keiner die Miete zahlen kann und die Fabriken still stehen, obwohl es weder an Nachfrage noch an Material fehlt, muss man das halt anders angehen als bisher üblich.

„Hoffentlich entstehen viele solcher Inseln wie unsere, die zu einer Halbinsel werden. Die Halbinsel soll sich entwickeln, kontinental werden und sich vergrößern. Wir erklären: Wir wollen die ganze Welt.“ – Ein Arbeiter von Vio.Me

Weitere Infos gibt es unter viome.org.

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