Kolumne Durruti

Man sollte meinen, Anarchosyndikalisten würden vielleicht öfter streiken als andere Gewerkschafter. Schließlich spielt der Streik bei ihnen in der Theorie eine Sonderrolle und einen gewissen Hang zur Mystifizierung kann man ihnen auch nicht absprechen. Aber weit gefehlt, denn da gibt es ja noch die berühmten äußeren Umstände – ein Hauch von Determinismus –, zu denen etwa gehört, dass man im bestreikten Betrieb doch eine Mindestanzahl aktiver Mitstreikender benötigt.

Und so kommt es, dass ich in diesem Frühjahr in der Blüte meines Lebens meine ersten beiden legalen Streiktage im Rahmen eines Tarifkonflikts mitmachen durfte. Es ging um den öffentlichen Dienst. Zwar hatte mir niemand gesagt, dass gestreikt wird, das musste dann mein Chef übernehmen, aber es war immerhin noch früh genug, um teilzunehmen.

Nicht jedoch ohne eine gut gemeinte Warnung des nächsten Vorgesetzten: Es könne sein, dass der Streik vermerkt werde und es zu Lohnabzügen komme. Ich schaute etwas verwirrt, denn bislang hatte ich das mangels Streikerfahrung für normal gehalten. Weit gefehlt: Streik kann offenbar auch bedeuten, während der Arbeitszeit an einer Demo teilzunehmen und dafür sowohl den Lohn als auch ein Streikgeld zu erhalten – als von ver.di gut bezahlter Demonstrant sozusagen.

Wenn sich nun ver.di eine solche Demonstration etwas kosten lässt, dann sollte sie wenigstens wahrnehmbar sein. Tipp für die Zukunft: Das klappt besser in Fußgängerzonen oder bewohnten Vierteln als in Stadtparks zwischen zwei oder drei Taubenfütterern.

Die Demo war nicht nur gut versteckt, sie war auch gut besucht. Denn ver.di weiß, wie man die Leute ans Streiken bekommt: Ist die Demo erst um 11.00 Uhr angekündigt, kann man ausschlafen und geht gerne auf eine Fünfminutenlatschdemo, statt um 9.00 Uhr zu arbeiten. Am zweiten Streiktag, 14 Tage später, schrumpfte die Streikbereitschaft bei uns im Betrieb rapide: Der Bus in die Landeshauptstadt fuhr ja schließlich schon um 7.30 Uhr!

Aber zurück zum ersten Streiktag: Mit einem leckeren Mittagessen in der Mensa sind dann alle überzeugt. Nur etwas komisch, dass dieses Essen doch nur möglich war, weil die Mensa-Angestellten offenbar alle nicht gewerkschaftlich organisiert oder Streikbrecher waren… Letztlich war es dann im Nachhinein gar nicht so einfach, nicht doch versehentlich Streikbrecher zu werden: Die Personalabteilung musste erst mal überzeugt werden, dass ein Streiktag kein Überstundenabbau ist. Und Teilzeitkräfte mussten erst mal nachweisen, dass das überhaupt ihr Arbeitstag war.

Als ich im Nachhinein dann den Sinn meines Streiks anzweifelte, weil an dem Tag sowieso nichts zu tun war und ich eigentlich einen Urlaubstag in Erwägung gezogen hatte, wurde ich als Streikneuling noch dahingehend beruhigt, dass das offenbar Sinn und Zweck eines Streiks ist. Denn hätte ich tatsächlich gestreikt, wenn meine Arbeit benötigt worden wäre, dann hätte das womöglich ans Ministerium weitergegeben werden können. Und das wäre dann sauer auf die Gewerkschaften gewesen und hätte vielleicht nicht mehr so nett verhandelt.

Denn das war’s auch schon wieder mit Streikerfahrung: Mit geballter Kraft haben wir eine Lohnerhöhung von 4,13 Prozent (gerechnet auf die zweijährige Laufzeit) erkämpft! Bei einer durchschnittlichen Inflation von zwei Prozent pro Jahr (2012) bliebe dann ein Plus von 0,13 Prozent. Okay, die angestellten Lehrer haben wir leider vergessen, aber: ich habe mich lange nicht mehr so revolutionär gefühlt!

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