Editorial

In der einen oder anderen Form ist das Thema Arbeiterselbstverwaltung allgegenwärtig: Am 4. Februar besetzten in der griechischen Stadt Kilkís ArbeiterInnen aus Protest gegen das brutale Spardiktat der Regierung ein örtliches Krankenhaus und betreiben es seitdem in Eigenregie weiter (mehr dazu unter Bankrott von Staat und Bewegung?). Auch hierzulande finden – wenn auch qualitativ auf einem ganz anderen Level – Diskussionen über alternative Betriebsstrukturen statt: In der Belegschaft des bankrotten Schlecker-Konzerns kursieren etwa Vorschläge zur Weiterführung des Unternehmens als Genossenschaft – ganz zum Missbehagen der ver.di-Spitzen (siehe auch Ausgeschleckert!).

Innerhalb der FAU und der libertären Öffentlichkeit bekam die Diskussion um Arbeiterselbstverwaltung einen neuen Schub, als der Historiker Michael Seidman im Oktober 2011 anlässlich der deutschen Erstübersetzung seiner bereits 1991 unter dem Titel Workers against Work erschienenen Studie über die Arbeiterkämpfe in Barcelona und Paris 1936-38 eine Rundreise zur Vorstellung seines Buches antrat. Mehr zu Seidman und seinen kontroversen Thesen findet Ihr in dieser Ausgabe bei „Zeitlupe“.

Gerade in einer Krisensituation, die sich weltweit immer mehr verschärft, haben selbstverwaltete Ansätze wieder ihr Potential zur Selbsthilfe und Selbstermächtigung der bisher Ohnmächtigen bewiesen. Was liegt also näher, als eine Ausgabe der DA dem Thema (ArbeiterInnen-)Selbstverwaltung zu widmen? Von alternativen Betrieben und deren Vernetzung untereinander, über Modelle dörflicher und kommunaler Selbstverwaltung, über die Organisation von prekären Kulturschaffenden bis hin zur selbstorganisierten indigenen Polizei mit abwählbaren Beamten: Selbstverwaltung hat viele Facetten.

Auch der theoretische Rundumschlag soll nicht ausbleiben, denn vor Irrwegen und Sackgassen war und ist auch die Idee der Selbstverwaltung nicht immun. Eine Gesamtbetrachtung zu Theorie und Praxis der Selbstverwaltungsidee innerhalb der Arbeiterbewegung gibt es – wo sonst? – bei „Hintergrund“. Während etwa in Titos Jugoslawien eine realsozialistisch deformierte „Arbeiterselbstverwaltung“ Staatsprogramm war, zeichnet alternative Betriebe im Westen seit jeher ein Doppelcharakter aus: einerseits können sie praktisches Modell und Orientierungshilfe auf dem Weg in eine andere, solidarische Ökonomie sein, andererseits dienen sie oft genug als Lückenbüßer für die Unzulänglichkeiten der kapitalistischen Wirtschaft oder führen am Ende gar zur Selbstausbeutung der KollektivistInnen. Wie dieser Problematik konkret begegnet werden könnte, damit beschäftigt sich ein Positionspapier der FAU Hamburg, das wir Euch unter Die dritte Säule näherbringen wollen.

Ein kleines Schmankerl haben wir im Artikel …ein bißchen richtiger im Falschen. Dort gewähren wir Euch Einblicke in die Selbstverwaltung aus unserer nächsten Nähe: Vier Kollektive aus dem Umfeld der FAU stellen sich vor.

Viel Spaß beim Lesen der neuen DA! Und darüber hinaus nicht vergessen: Am 31. März auf nach Frankfurt am Main!

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