Feuer lügt nicht

Gericht bekennt Farbe. AktivistInnen protestieren. Urheber: Initiative in Gedenken an Oury Jalloh e.V. Am 7. Januar 2005 kam der aus Sierra Leone stammende Oury Jalloh bei einem Brand in einer Zelle des Dessauer Polizeireviers ums Leben. Die Umstände sind bis heute ungeklärt und Bestandteil eines laufenden Prozesses vor dem Landgericht Magdeburg.

 

Die abwegige These des Oberstaatsanwaltes Christian Preissner, Oury Jalloh hätte sich mit einem Feuerzeug, welches bei der Durchsuchung übersehen worden sei, selbst angezündet, reichte dem Landgericht Dessau als Erklärung für den Feuertod aus. Das erste Brandgutachten aber überzeugte weder das Gericht in Dessau noch den Bundesgerichtshof. Selbst der Brandgutachter Steinbach musste im Revisionsverfahren im September 2011 vor dem Magdeburger Landgericht einräumen: „Ich arbeitete nach Vorgabe. Aus meiner Sicht wäre es nötig gewesen, ungleich mehr Versuche mit verschiedenen Ansätzen zu machen.“

Warum aber wird das gleiche, fehlerhafte Gutachten nun auch im Revisionsverfahren als Beleg für den vom Innenministerium, der Staatsanwaltschaft und der Polizei verkündeten „Selbstmord“ herangezogen? Die Nebenklagevertretung (RechtsanwältInnen der Familie von Oury Jalloh) wies das erste Brandgutachten schon vor mehreren Monaten mit Bestimmtheit zurück und bezeichnete die Versuchsdurchführungen als „unsystematisch, vorwissend und in der Methodik wahllos“. Es folgte keinerlei (Re)Aktion vom Gericht. Am 13. Januar 2012 stellte die Nebenklage schließlich einen Beweisantrag über ein neues, unabhängiges Brandgutachten.

Als die Nebenklagevertreterin Gabriele Heinecke ihren Beweisantrag vorlas, herrschte Anspannung und Totenstille im Gerichtssaal, denn ein neues Brandgutachten beschränkt sich nicht auf die These „Selbstmord“: „Wenn der Brandsachverständige aufgrund des Brandbildes und des rechtsmedizinisch festgestellten Zustandes der Leiche des Herrn Jalloh und der Berücksichtigung der von mehreren Zeugen wahrgenommenen Flüssigkeitslache, die sich auf Höhe der angeketteten Hand befunden haben dürfte, zu dem Schluss kommt, dass es jedenfalls zwei Brandausbruchsorte gegeben haben muss, wäre wahrscheinlich der Schluss zu ziehen, dass es sich vorliegend um ein Verbrechen des vorsätzlichen Mordes handelt“ (Beweisantrag vom 13. Januar 2012; 21 Ks 141 Js 13260/10 (8/10); S. 3).

Insbesondere die US-amerikanische Forschung im Bereich der Brandforschung ist heutzutage soweit vorangeschritten, dass es heißt: Feuer lügt nicht. ForscherInnen können genau rekonstruieren, welche Bedingungen notwendig waren und ob es mehr als nur einen Brandherd bedurfte, um genau zu dem Brandergebnis zu kommen, wie es im Fall Oury Jalloh der Fall war.

Am 16. Februar 2012 lehnte aber das Gericht den Antrag ab. Begründung: „Die Kammer geht beim derzeitigen Stand der Beweisaufnahme davon aus, dass der Brand nicht durch Dritte erfolgte.“ AktivistInnen waren geschockt, enttäuscht und wütend von dieser Entscheidung, mit der das Gericht letzten Endes Farbe bekennt. „Oury Jalloh, das war Mord – Brandgutachten jetzt sofort – Claudia Methling, Richterin – Macht sich selbst zur Mörderin“ war bei der anschließenden Spontan-Demo durch Magdeburg zu hören.

Die Initiative Gedenken an Oury Jalloh e.V. ist sich sicher, dass es Brandlegung durch Dritte war. Die Menge an mutwillig vernichteten Beweismitteln, die ZeugInnen-Aussagen, die ungenügenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und die Tatsache, dass das Polizeirevier schon vor dem Mord an Oury Jalloh für seinen rassistischen und menschenverachtenden Umgang bekannt war, sprechen dafür.

 

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