Am Ende der Krise wird die Welt nicht mehr so sein, wie wir sie kannten; es werden sich die Regeln ändern und mit ihnen die Lebensbedingungen“, ließ es der konservative Mariano Rajoy während seiner Rede zur Amtseinsetzung als spanischer Ministerpräsident im vergangenen Dezember verlauten. In der Tat werden Veränderungen unvermeidbar sein, denn die aktuelle Situation wird sich nicht verbessern. Laut des abschließenden Jahresberichts des Nationalen Statistikamtes stieg die Arbeitslosigkeit in Spanien von 8,3% im Jahr 2007 auf 21,5% im Jahr 2011.
Begierig über Erfahrungen und neue Modelle zu diskutieren, nahmen Anfang Dezember mehr als einhundert Personen an der ersten Konferenz der Alternativen Ökonomie teil, organisiert von der CNT de Villaverde, Madrid (siehe DA Nr. 209: Wie macht man es richtig im Falschen?). Aus den verschiedenen Themen entwickelten sich schließlich Diskussionsrunden über selbstverwaltete Projekte mit drei Eckpfeilern: Produktion, Konsum und Finanzen und die „Integrierte Kooperative“.
Bereits vor Beginn der Konfrenz war betont worden, dass eine Kooperative keineswegs nur als eine Insel abgetrennt vom Rest der Welt funktionieren könne. Daher war es auch nicht erstaunlich, dass die dritte Diskussionsrunde, die sich den Integrierten Kooperativen widmete, die am besten besuchte war.
„Ziel ist es, von der Produktion, dem Konsum, der Verteilung und dem Austausch bis hin zu den Grundbedürfnissen wie Gesundheit, Bildung, Ernährung und Wohnen alles mit einzuschließen und so immer bessere Fähigkeiten zu entwickeln, um das herzustellen, was es zum Leben braucht“, erklärte Enric Durán, von der 2010 gegründeten Cooperativa Integral Catalana, die heute fast 1000 Mitglieder umfasst. Auf diese Weise ließe sich über die Selbstverwaltung ein Prozess der Transformation bis hin zum Ausstieg aus dem kapitalistischen System einleiten und sich dabei eine Unabhängigkeit gegenüber Staat und Banken erreichen.
In Spanien existieren heute über 50 „Ecorredes“ [etwa „Ökonomische Netzwerke“ in Anlehnung an „Soziale Netzwerke“, Anm. d. Ü.]), welche teilweise Kommunalgeld oder Sozialwährungen verwenden. Diese dienen dazu, zwischen verschiedenen Gruppen und Einzelpersonen ausgetauschten Gütern und Dienstleistungen einen Wert zuzuordnen. Es handelt sich um einen sogenannten multireziproken Tauschhandel: eine Person bittet eine andere um eine Dienstleistung oder ein Produkt und muss, um dafür zu zahlen, für irgendein anderes Mitglied der Gemeinschaft eine Aufgabe übernehmen oder ein Produkt zur Verfügung stellen. Die Währung kann virtuell oder real sein, aber sie bleibt nur ein Register für die umgesetzten Transaktionen. Mithin hat diese Währung den Vorteil, dass sie sich nicht ansparen lässt und nicht mit ihr spekuliert werden kann, so dass die Aktivität der Gemeinschaft unmittelbar belebt wird.
Die Cooperativa Integral Catalana (CIC) präsentierte eine Vertiefung in das Thema der formellen Organisation einer integralen Kooperative. Die CIC verwendet dabei die Form der „gemischten Kooperative“ von KonsumentInnen und NutzerInnen. Nach spanischem Recht ergeben sich dadurch einige finanzielle und steuerliche Vorteile für die Mitglieder. Verschuldete Personen müssen sich keine Sorgen über Pfändungen machen, da weder die Güter der Kooperative noch die seiner Mitglieder gepfändet werden können. Denkt man an die spanische Arbeitslosenquote sowie daran, dass zwischen 2008 und 2015 vermutlich eine halbe Million Familien ihr Eigenheim aufgrund ausstehender Zahlungen verlieren werden, stellt die Praxis der Kooperative durchaus eine Möglichkeit zum Neuanfang für viele Verschuldete dar.
Auch wenn zum Ende des Kongresses einige Fragen unbeantwortet blieben, wurden die Erwartungen an die Diskussion erfüllt. Dies galt nicht nur für die TeilnehmerInnen, sondern auch für die OrganisatorInnen, welche bekräftigten die Zusammenkunft im kommenden Jahr wiederholen zu wollen.