Die erste Welle von Anarcho-Punkbands war gerade verebbt, da gründeten Al & Nix Internal Autonomy. Textlich stark von Crass beeinflusst, gingen sie musikalisch einen anderen Weg. Internal Autonomy spielten dunklen, experimentellen Post-Punk, der an Siouxsie & The Banshees, Killing Joke, Rubella Ballett, Blood And Roses und Joy Division erinnert, mal klingt die Stimme von Nix nach Siouxsie Sioux, mal nach Eva O. von den Superheroines. Den ursprünglichen Namen Neither Slaves Nor Masters indes legten sie schon bald ab, „viel zu offensichtlich, zu klischeehaft, zu blöd, zu großkotzig“. 2010 erschien bei Front Cover Production eine Doppel-CD mit ihren alten Veröffentlichungen aus den 80er und 90er Jahren.
Aber warum zurückblicken? Ein Jahr nach der Werkschau begannen Al und Nix wieder zusammenzuarbeiten, nachdem sie sich zwölf Jahre lang aus den Augen verloren hatten.
IA habe niemals wie eine typische Band funktioniert, so Al, sondern sei immer ein Kollektiv gewesen, eine Ansammlung von kreativen Menschen, die zusammen Musik machten. Da sie beide die einzige Konstante gewesen seien, sei es ihnen natürlich erschienen, den Namen Internal Autonomy weiter zu verwenden.
Die Band aus Wales hat immer noch etwas, das manch anderen im Laufe der Jahre abhanden gekommen ist: Leidenschaft und eine kämpferische Einstellung. Leidenschaft für ihre Musik und für die Themen, die sie behandeln, eine kämpferische Einstellung in den Texten und in der Art und Weise, wie sie von der Sängerin Nix vorgetragen werden.
„Selbstverständlich bin ich Anarchistin“, meint Nix, „nichts anderes passt. Ich erzähle mal, wie für mich alles begann: Ich war 17 und saß mit meinem Freund auf dem Bett, auf dem Plattenspieler drehte sich Penis Envy von Crass, daneben ein Stapel schwarz-weiß gestalteter LPs und EPs, als potentielle Kunststudentin hat mich das Artwork angesprochen, ich las durch, was auf den Covern stand und es traf mich wie ein Blitz – da waren Leute, die so dachten wie ich. Wenn Emma Goldman sagt, dass sie zu ihrer Revolution tanzen will, dann kann ich das nachvollziehen, wenn Proudhon sagt, dass Eigentum Diebstahl sei, dann verstehe ich das, ich teile Wollstonecrafts Ansichten über die freie Liebe, ich erinnere an die Frauen in Spanien, die im Bürgerkrieg Seite an Seite mit den Männern kämpfen wollten … ich könnte ewig so weitermachen.“ Das seien allerdings andere Zeiten gewesen, heute sei es wichtig, sein Leben selbstbestimmt zu leben und sich vor allem nicht in eine Opferrolle drängen zu lassen. „Ich bin kein Opfer meines Geschlechts, meiner Hautfarbe oder meiner Sexualität“, verkündet Nix mit Nachdruck.
Ja, er sei auch Anarchist, so Al, aber die Leute könnten sich nennen, wie auch immer sie wollten, der Name dafür sei nicht wichtig. „In meinen Augen ist der Staat eine parasitäre und unnötige Einrichtung“, fügt er hinzu, „die von einigen Menschen mit schwerwiegenden Persönlichkeitsstörungen geleitet wird und das sie als Instrument für ihren Hunger nach Macht und Kontrolle benutzen. Dasselbe gilt für organisierte Religion, für Finanzsysteme und für den Besitz und die Kontrolle von Land im Allgemeinen. Die meisten unserer Probleme lassen sich davon ableiten und ohne sie ist Anarchie und vollkommene Freiheit möglich. Ich ziehe dabei praktisch durchführbare Möglichkeiten starren und doktrinären Lösungen vor. Die Anarchisten, die mein Denken am meisten beeinflussten sind William Godwin und einige der Post-Linken wie Feral Faun und ursprünglich auch Crass und die Sex Pistols, ob man die dazu zählen will oder nicht, sie haben mich auf jeden Fall beeinflusst.“ Auch die Vertriebswege entsprechen ihrem anarchistischen Selbstverständnis: Ihre alten Platten veröffentlichten Internal Autonomy auf Profane Existence und dem Subhumans-Label Bluurg, ihr neues Album Ferox wird Ende April/Anfang Mai auf dem eigenen Label Vanity Records erscheinen. Yoggy, einer der alten „Autonomistas“ unterstützte sie kurzzeitig und steuerte einige Gitarrenparts bei, zwei neue „Autonomistas“ – Jenn und Azia – sind dazugekommen. Alles ist im Fluss, wie schon immer, mit Nix und Al als Konstanten. Strictly DIY. Finanziert wird das Ganze durch eine Crowfunding Kampagne auf Indiegogo. Wobei Al darauf hinweist, dass es gerade was Musik betrifft, seit den 80ern eine deutliche Veränderung zum Schlechteren hin gegeben hat. „In den 80ern gab es eine starke Untergrundbewegung“, sagt Al, „wo die Menschen sich gegenseitig in ihrer Kreativität durch Kauf, Verkauf und Austausch unterstützten, das funktionierte ausgezeichnet und brachte eine sehr lebendige Szene hervor. Heute dagegen soll alles umsonst sein. In einer anarchistischen Gesellschaft, wo Geld keine Rolle mehr spielt, mag das eine akzeptable Erwartung sein, aber in einer Gesellschaft, wo Instrumente, Computer, Reisen, Studiozeit und das Pressen einer CD Geld kosten, ist das verdammt unvernünftig! Heute zocken Punks freudestrahlend Punkbands ab, was nicht nur ungerecht, sondern auch gierig und kurzsichtig ist.“ Ungeachtet dessen werden Al und Nix weitermachen, sowohl ihr Idealismus als auch ihre Kreativität sind ungebrochen. Alles sei möglich, so Nix, die Sängerin, Fanzines, Kunst, Romane, musikalisch allerdings würde es freilich einen Neubeginn geben. „Ferox ist unser Sprungbrett in die Zukunft“, ergänzt Al, „und für unsere zukünftige Kreativität. Wir werden uns danach als Band Ferox nennen, so dass man sagen kann: Ferox ein Album von Internal Autonomy oder „Internal Autonomy‘ ein Album von Ferox, alles ist im Wandel, wir fangen von vorne an. Außerdem lässt es viel Platz für Interpretationen, was mir sehr gut gefällt.“