Anfang Januar gingen Meldungen durch die Presse, wonach viele Studierende unter enormen Stress und daraus resultierenden Depressionen leiden. Auch der Konsum von Psychopharmaka habe in den letzten Jahren unter Studierenden erheblich zugenommen. Als Ursache werden in einer Studie der Techniker Krankenkasse Zeitdruck, Hektik und fehlende Rückzugsmöglichkeiten genannt. Bereits Anfang 2000 fand eine Studie des Deutschen Studentenwerkes heraus, dass in technischen und ingenieurwissenschaftlichen Fächern bis zu 40% der befragten Studierenden mit psychischen Problemen zu kämpfen haben.
Durch die sog. „Hochschulreform“ im Zuge des Bologna-Prozesses steigt der Stress insbes. in den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern weiter an. So fallen z.B. im Studiengang Umwelttechnik/Regenerative Energien an der FHTW Berlin in manchen Fächern bis zu 90% der Studierenden eines Jahrganges früher oder später durch die Prüfungen. Bereits bei der Erstsemesterbegrüßung wird verkündet, dass in den Laboren nur Platz für ca. 20 Personen sei und ein entsprechender Anteil der Studierenden das Semester, ab dem im Labor gearbeitet werden muss, deshalb nicht erreichen werde. Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn von 48 Studienanfängern nach wenigen Semestern nur noch 16 übrig sind. Die restlichen werden bei den extrem anspruchsvollen Prüfungen so lange durchfallen gelassen, bis sie die Hochschule verlassen müssen.
Eine Studentin an einer Fachhochschule muss sich in den Bachelor- und Diplomkursen normalerweise mit bis zu 38 Semesterwochenstunden herumschlagen. Hinzu kommen Tutorien und Übungen sowie die Vorbereitung auf die Laborpraktika, für die im laufenden Semester bis zu 30 studienbegleitende Protokolle verfasst werden müssen. Der Studiengang kann exemplarisch für fast alle ingenieur- und naturwissenschaftlichen Studienfächer betrachtet werden. Unter diesen Umständen ist es nahezu unmöglich, noch neben dem Studium zu jobben. Wer kein Geld durch Dritte bezieht, hat von vorne herein verloren.
Die Fachhochschule stellt ein scheinbar attraktives Bildungsangebot bereit, kassiert vom Kultusministerium das Geld für die entsprechende Anzahl von Studienanfängern und beginnt dann die Mehrzahl von ihnen – getreu dem Motto: „Survival of the fittest“ – auszusieben. Übrig bleibt nur eine kleine Anzahl stresserprobter Elite-Ingenieure. Die Industriewirtschaft kann sich mit den „gut ausgebildeten Fachkräften“ zufrieden zeigen und die Hochschule deren Fördergelder einstreichen, um damit das Bildungs- und Forschungsangebot zu „verbessern“. Den Studierenden kommt in diesem Spiel lediglich die Rolle der Humanressource, des zukünftigen Elite-Humankapitals zu.
Widerstand gegen diese Zurichtung gibt es leider zu wenig. So ging z.B. der Fachschaftsrat für den benannten Studiengang gegen extrem hart bewertende Professoren vor. Dieser „Widerstand“ bezieht sich aber nur auf die Symptome der Missstände. Erfolgsversprechender Widerstand lässt sich dort entwickeln, wo es den Fachhochschulen und der Industrie auch weh tut. Die Firmenkontaktmessen, mit denen die jeweiligen Universitäten an die Öffentlichkeit treten, sind Orte, an denen auf die Verflechtung zwischen den Hochschulen und der Industrie, sowie der daraus resultierenden gnadenlosen Auspressung der Studierenden hingewiesen werden kann. Hier Protest zu entwickeln, würde nicht nur den Ausbeutern schaden: Seinen Frust einfach mal herauszuschreien und in Bewegung zu kommen, ist auch ein vorzügliches Mittel gegen das Burn-Out-Syndrom.