Gentrifizierung ist auch in Polen allgegenwärtig. Sie vollzieht sich dort vor allem im Bereich des öffentlichen Wohnraums, wie etwa in Warschau, wo eine umfassende Privatisierung einhergeht mit drastischen Mieterhöhungen und verschärften Kriterien für den Erhalt einer Sozialwohnung. Als Reaktion auf die unsoziale Wohnungspolitik hatte die syndikalistische ZSP bereits im Oktober zu einem Mietstreik in der Hauptstadt aufgerufen (siehe DA Nr. 202). Noch befindet sich der Streik in einer Phase des Aufbaus, doch die ZSP hofft, dass er sich im neuen Jahr ausbreiten wird.
Spuk im Hochhaus
Das Engagement von ZSP-AktivistInnen in der Mieterbewegung begann vor eineinhalb Jahren, als die Stadtverwaltung mit ihren beispiellosen Maßnahmen in der Wohnungspolitik begann. Mitglieder der ZSP gründeten damals mit NachbarInnen einen ersten Mieterausschuss. Vor etwa einem Jahr protestierte man dann erstmals gegen Mieterhöhungen. Die Stadtverwaltung hielt den Protesten damals entgegen, dass die Mehreinnahmen für die Restaurierung verfallender Häuser verwendet würden. Doch letztlich wurde nur ein mageres Prozent des Geldes tatsächlich in Reparaturen investiert. Dabei können sich viele Menschen die neuen Mietpreise, sei es für die kommunalen oder die privatisierten Wohnungen, schlichtweg nicht leisten. Viele Menschen müssen sich deshalb häufig entscheiden, sich entweder Nahrung und Medizin zu kaufen oder ihre Miete zu bezahlen.
Mit der Wohnungspolitik verfolgt die Stadt die Absicht, die Anzahl der Sozialwohnungen drastisch zu reduzieren. Dies soll v.a. durch die Reprivatisierung von Gebäuden erreicht werden, die nach dem Zweiten Weltkrieg in öffentliche Hand übergegangen waren. Etwa 10.000 solcher Gebäude in Warschau stehen auf der Privatisierungsliste. Die ZSP beschaffte sich deshalb diese Liste und organisierte große öffentliche Versammlungen, in denen sie potenziell betroffene Mieter warnte. Zudem versucht die Stadt, den Kreis der Menschen zu beschränken, denen eine Sozialwohnung zusteht. Nach den neuen Regelungen dürfen Menschen, die mehr als den Mindestlohn von etwa 340 Euro verdienen, keinen Antrag auf eine solche stellen, weil „sie sich kommerzielle Mieten leisten können“. Dabei verschweigt die Stadtverwaltung die Tatsache, dass eine Einzimmerwohnung auf dem privaten Wohnungsmarkt in Warschau im Durchschnitt mehr als 400 Euro kostet.
Als die ZSP begann, anderen MieterInnen zu helfen, kamen immer mehr Horrorgeschichten zu Tage – von Mietern, denen das Wasser und die Toilette abgeklemmt wurden, weil die Eigentümer sie vertreiben möchten; von Eigentümern, die dabei auch vor Brandstiftung nicht zurückschrecken; und von Menschen, die in einsturzgefährdeten Häusern wohnen. In manchen Fällen trauten sich MieterInnen nicht einmal, das Haus zu verlassen, weil sie fürchten, vom Eigentümer ausgesperrt zu werden. Vor einem Jahr hatten sich deswegen sogar Menschen in ihrem Haus verbarrikadiert. Sie überdauerten, indem sie Körbe aus ihren Fenstern hinunterließen, die die NachbarInnen mit Nahrung füllten.
Versuch einer Aktivierung
Gegen die Pläne der Politiker und Spekulanten organisierte die ZSP zusammen mit Betroffenen eine Reihe von direkten Aktionen. So blockierte sie im letzten Winter mit verzweifelten MieterInnen zwei Wochen lang das Büro einer lokalen Hausverwaltung. Infolge dessen erhielten viele von ihnen eine neue Unterkunft mit angemessenen Standards. Im Herbst dann besetzte die ZSP vorübergehend das Bürgermeister-Büro im Warschauer Rathaus, um die Forderungen der Mieterbewegung nach öffentlichem Wohnraum zu unterstreichen. Auch die Stadtratssitzungen wurden mehrfach heimgesucht und lautstark gestört, um die Sache der MieterInnen auf die Tagesordnung zu bringen.
Im Gegensatz zu einigen moderaten AktivistInnen, die versuchten, Veränderungen auf politischem Wege zu erreichen, z.B. indem sie – letztlich erfolglos – für öffentliche Ämter kandidierten, entschied sich die ZSP dazu, die Proteste zu eskalieren und rief zum Mietstreik auf. Denn viele Menschen sind ganz konkret von Zwangsräumungen bedroht. In dieser Situation rät die ZSP dazu, sich dem Risiko nicht allein zu stellen. Wenn die Betroffenen ihre Miete nicht mehr aufbringen können, sollen sie sich dem Mietstreik anschließen und kollektiv ihre Wohnungen verteidigen. Noch ist die Bereitschaft zum Widerstand gering, auch wenn zehntausende Menschen in Warschau die genannten Probleme zu spüren bekommen.
Mit dem Mietstreik fordert die ZSP insbes. erschwingliche Mieten und die Festlegung realistischer Einkommenskriterien für den Erhalt einer Sozialwohnung, orientiert an den Mietpreisen des privaten Wohnungsmarktes. Außerdem verlangt sie den Stopp der Privatisierung kommunaler Wohnungen, die Instandsetzung verfallender Häuser und mehr Sozialbauten zur Kompensation abrissreifer Häuser. Einher gehen diese Forderungen mit der Idee der direkten Mieter- und Gemeindekontrolle des öffentlichen Wohnraums, welche die ZSP auf von ihr einberufenen Stadtteilversammlungen zu verbreiten versucht.
Der Streik selbst ist als Langzeitaktion angelegt. Es bleibt abzuwarten, wie er sich verbreiten wird, wenn immer mehr Menschen in Schulden geraten und ihren Rauswurf aus der Wohnung zu erwarten haben. Der Aktionstypus des Mietstreiks hat in Polen keine Tradition, weswegen er nur allmählich aufgebaut werden kann. Es handelt sich deshalb um eine unbefristete Aktion, die hoffentlich gerade erst begonnen hat.
Konstanty Grabarz
Ein Kommentar zu «Gentryfikacji»