Alle 15 Sekunden stirbt auf der Welt ein Mensch an den Folgen der Ausbeutung durch Arbeit, sei es aufgrund von schlechten Sicherheitsbedingungen, giftigen Werkstoffen oder Folgeschäden verursachenden Tätigkeiten. Weltweit sterben somit pro Jahr über 2,2 Millionen ArbeiterInnen durch die Folgen von Arbeit. Weitere 160 Mio. tragen jährlich Verstümmelungen, Verletzungen und Krankheiten davon (siehe dazu „Alltag ist Krieg“, DA Nr. 194). Gerade durch die weltweite Prekarisierung, durch die Ausweitung der Arbeitszeiten, durch Rationalisierung und Einsparungen ist die Tendenz zu mehr Unfällen steigend. Hinzu kommt, dass eine nachholende Industrialisierung unter Vernachlässigung des Arbeitsschutzes in den Schwellenländern die Anzahl der Arbeitsunfälle massiv ansteigen lässt. Nun hat sich auch die IAA auf dem letzten Kongress des Themas angenommen und begrüßt für dieses Jahr Beteiligungen am internationalen Workers’ Memorial Day (WMD), der jährlich am 28. April begangen wird.
Der WMD findet seit 1984 statt. Er wurde von der kanadischen Gewerkschaft CUPE initiiert, zunächst als reiner Gedenktag für die (Todes-)Opfer von Arbeitsunfällen. Relativ schnell wurde er auch von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) der UNO aufgegriffen; in derzeit über 25 Ländern ist er ein offizieller Gedenktag. Ging es den Initiatoren schlicht um ein „Remember the Dead!“, erfolgte in den 1990ern die Politisierung des WMD, was sich in der Erweiterung des Slogans um „Fight for the Living!“ ausdrückte. Spätestens seit 1996 werden im Kontext des WMD auch konkrete Forderungen aufgestellt, so z.B. nach sicheren Arbeitsplätzen oder nach Abschaffung giftiger Arbeitsstoffe in der Produktion. Zur Durchsetzung solcher Forderungen finden am WMD immer wieder auch Betriebsaktionen, bis hin zu Streiks, statt. Allgemeine Aktivitäten gab es zuletzt in 45 Ländern. In Deutschland tut sich am 28. April traditionell nichts. Der WMD ist hier gänzlich unbekannt.
Das soll sich nun ändern. Sowohl die FAU Berlin als auch die FAU Leipzig planen für dieses Jahr Aktionen am WMD. Der Tag bietet viele Ansatzpunkte für syndikalistische Gewerkschaften. Dabei können angrenzende Themen, wie z.B. Arbeitszeitverkürzung als klassischer Gegenstand des zeitnahen 1. Mai angesprochen werden, schließlich besteht zwischen Arbeitshetze und Arbeitsunfällen allzu oft ein direkter Zusammenhang. Auch die psychologischen und suizidalen Folgen von Lohnarbeit, welche die FAU schon thematisiert hat, dürften keinesfalls deplatziert sein. Möglichkeiten der Aktivität gibt es viele. So kann zum Beispiel vor Ort auf besonders schwarze Schafe hingewiesen werden, können arbeitsrelevante Institutionen in die Verantwortung genommen oder Gedenkveranstaltungen an befleckten Orten durchgeführt werden.
Es erscheint geradezu überfällig, das Thema des blutigen betrieblichen Alltags in Deutschland präsent zu machen. In anderen europäischen Ländern ist es dies bereits geschehen, so z.B. in Italien, Spanien oder Griechenland, wo die Diskussion um tödliche Arbeitsunfälle unter den ArbeiterInnen viel Raum einnimmt. Hierzulande dagegen Schweigen: Und das, obwohl auch in der Bundesrepublik im Durchschnitt täglich 3.400 ArbeiterInnen verletzt werden und jeden Tag vier Menschen bei der Arbeit oder an deren Folgen sterben.