Die Sklaverei unserer Zeit

Nur Trostpflaster oder „fairer“ Lohn?

Sie sind die ewigen LückenbüßerInnen: Immer auf Durchreise, mitten hineingestoßen in hektisch-routinierte Abläufe, in der Regel uneingearbeitet, unintegriert, nie andockend, KollegInnen auf Zeit – LeiharbeiterInnen eben. Sie sind der Notnagel, die Gesundheitsfeuerwehr. Sie werden geholt, wenn es „brennt“, alles zusammenzubrechen droht. „Brandherde“ löschen sie nie. Dafür werden sie auch nicht geordert. LeiharbeiterInnen sorgen nur dafür, den Rauch klein zu halten. Denn der könnte schließlich gesehen werden …

Keine Frage der Sympathie

Leiharbeit ist unsozial. Von der viel beschworenen Flexibilität profitiert nur der Arbeitgeber. Einsatzorte und -abfolge werden schließlich nicht von den LeiharbeiterInnen bestimmt. Oft wechseln sie Einrichtungen schneller als andere ihr Hemd. Keine Seltenheit: Zur Stoßzeit noch für einige Stunden im Pflegeheim gerackert, um im Anschluss noch einige Stunden im Krankenhaus zu schrubben. Einarbeitung, Patientenanamnese? – Fehlanzeige! Übergabe auf Zuruf, Pflege auf Knopfdruck. Gefährlich! Wirkliche Arbeitsbeziehungen werden so nie entstehen. Von einer kollegialen Ebene ganz zu schweigen. LeiharbeiterInnen bleiben auf ewig fünftes Rad am Wagen. Das ist nichts Persönliches. Stammbelegschaften sind sogar froh, bringen die KollegInnen auf Zeit doch zumindest vorübergehend die lang ersehnte Entlastung. Helfende Hände sind vor allem in der chronisch unterbesetzten Pflege stets willkommen.

Innovativ ist das nicht

In der Gesundheitsbranche ist Leiharbeit kein neues Phänomen. Sprunghaft gestiegen ist allein die Nachfrage, gerade in den letzten Jahren. Die Verleiher (Leiharbeitsfirmen) stoßen zunehmend in eine Lücke, die die Entleiher (Gesundheitsbetriebe) selbst geschaffen haben – dank Kosteneinsparungsdrucks und aktiv betriebenen Stellenabbaus. Bei wachsenden Arbeitsanforderungen, wohlgemerkt. Die Personaldecke ist dünn, die Möglichkeiten, den Beschäftigten immer weitergehende Belastungen und Verantwortung aufzubürden, hat Grenzen. Immer mehr Gesundheitseinrichtungen gehen deshalb dazu über, auf Leiharbeit zurückzugreifen – vom Krankenhaus, über Pflegeheime bis hin zu ambulanten Pflegediensten. Vor allem in Bereichen, in denen es an qualifiziertem Personal mangelt. Längst werden nicht nur Pflegekräfte geliehen, sondern auch andere Berufsgruppen, im klinischen Bereich vor allem auch ÄrztInnen. Die Verleiher sorgen demnach mit dafür, die Misere im Gesundheitssystem am Laufen zu halten.

Längst haben sich einige auf die lukrative Gesundheitsbranche spezialisiert, darunter kleinere lokale Anbieter, aber auch die ganz großen wie die Adecco-Tochter „time & more Personaldienst­leistungen GmbH“. Faktisch mischen jedoch alle Leiharbeitsfirmen mit, kleine genauso wie Randstad oder Manpower. Geheuert und gefeuert wird, was zu leasen ist, darunter eben auch Gesundheitsberufe. LeiharbeiterInnen leisten Schwerstarbeit zu Dumpinglöhnen, immer in der Hoffnung auf Festanstellung. Doch die wenigsten bekommen sie.

Das Motto, nur vorübergehend Personalengpässe auffangen zu wollen, hat sich längst überlebt. In vielen Einrichtungen ist Leiharbeit zur fest eingeplanten Größe geworden. Kirchliche, kommunale, private und wohlfahrtsverbandliche Träger greifen gleichermaßen auf die externen Dienstleister zurück. Es gibt Pflegeheime, in denen bis zu einem Drittel LeiharbeiterInnen beschäftigt werden. Das hat Auswirkungen auf die Qualität. Doch darüber will niemand reden. Zumindest solange nicht, bis Missstände eklatant werden. Die wenigsten verzichten deshalb bewusst darauf.

Perfide Profite – eine Kampfansage

Scheinbar haben Arbeitgeber in der Leiharbeit aber noch ganz andere Potenziale entdeckt. Denn um Personalkosten zu sparen, werden heutzutage auch pflegerische Fachkräfte in sogenannte Servicegesellschaften „ausgelagert“. Eine Methode, die bei Küchen, Wäschereien und Reinigungen schon lange erprobt ist. Große Kliniken und Heim-Ketten leihen sich dann quasi ihr eigenes Personal aus. Die verrichten die gleiche Arbeit, oft sogar am alten Arbeitsplatz. Allerdings zu drastisch schlechteren Konditionen: Für 30 bis 40 Prozent weniger Gehalt bei längeren Arbeitszeiten, weniger Urlaub, abgekoppelt von betrieblicher Altersvorsorge. So manche/r ist plötzlich auf zusätzliche Sozialleistungen angewiesen.

Zwar unterschreiben die KollegInnen Verträge, mit denen sie sich verpflichten, auf Weisung auch an anderen Orten eingesetzt zu werden. Aber darum geht es gar nicht. Vielmehr geht es darum, Druck auf den Rest der Belegschaft aufzubauen, um ihre Spaltung, die Schwächung ihrer Kampfkraft und um das Unterlaufen von Mitbestimmung und Kündigungsschutz.

Leiharbeit ist eine klare Kampfansage an alle Beschäftigten. Stammbelegschaften müssen sich deshalb gemeinsam mit LeiharbeiterInnen für die Abschaffung dieser Beschäftigungsform einsetzen. Auch, aber nicht nur im Gesundheitswesen.

Nandor Pouget (GGB Hannover)

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